Die Unterkunft für auffällige, unbegleitete Minderjährige in Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) sorgt für Aufregung. SPÖ NÖ Integrationssprecherin Kathrin Schindele betonte in einer Aussendung, dass sie die aktuelle Situation "mit Stacheldrahtzaun und privatem Wachhund aufs Schärfste verurteile". Die asylkoordination österreich bezeichnet die von FP-Landesrat Gottfried Waldhäusl am Dienstag vorgestellte Unterkunft als "Straflager".  Waldhäusl dagegen sprach davon, dass der Probebetrieb im Quartier "erfolgreich angelaufen" sei. Im Ö1-Morgenjournal erklärte er, er verstehe die Aufregung nicht und sähe keinen Freiheitsentzug. Die Zäune dienten auch dem Schutz der Jugendlichen vor der Bevölkerung. Jeder könne sich gerne "zwei, drei mit nach Hause nehmen".

Das Asyl-Quartier in Drasenhofen sei "kein Gefängnis", betonte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Freitag am Rande einer Pressekonferenz in Korneuburg. "Daher hat ein Stacheldraht dort nichts verloren", äußerte sie sich auch auf Facebook.

Es sei ihr "wichtig, dass Flüchtlinge gut untergebracht sind", sagte Mikl-Leitner in Korneuburg. Ebenso wichtig sei ihr, "dass sich die Kinder- und Jugendanwaltschaft davon überzeugt". Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) merke offensichtlich, "dass er überzogen hat", fügte die Landeshauptfrau hinzu.

"Verstoß gegen internationales Recht"

SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz sprach von einer "Schande für Österreich", Caritas Wien-Generalsekretär Klaus Schwertner forderte die Schließung der Unterkunft. "Kinder und Jugendliche brauchen Beschäftigung, Betreuung und Integrationsmaßnahmen, aber doch keine 'Internierung' in Lagern", wurde Yilmaz in einer Aussendung zitiert. Sie forderte zudem die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) auf, Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) die Flüchtlingsagenden zu entziehen. Bestürzt über das Flüchtlingsquartier im Bezirk Mistelbach zeigten sich die NEOS. Integrationssprecherin Stephanie Krisper sah in den geschilderten Umständen "klar eine Freiheitsentziehung". "

Niederösterreich verstoße mit der Internierung von Flüchtlingskindern gegen internationales Recht, Kinderrechte würden mit Füßen getreten, erklärte die asylkoordination österreich. Ein Betroffener berichtete einer österreichischen Bezugsperson laut asylkoordination über die Umstände seiner Unterbringung: Er dürfe sich nur im Haus frei bewegen und das Areal nicht verlassen. Nicht einmal Besorgungen wie z.B. Zigaretten zu kaufen sei möglich.

Schließung gefordert

Für die Schließung der Unterkunft tritt Caritas Wien-Generalsekretär Klaus Schwertner ein. Zu argumentieren, dass das Einsperren und Bewachen von Jugendlichen ihrer eigenen Sicherheit diene, "erinnert an autoritäre Regime und dunkle Zeiten unserer Geschichte". Mikl-Leitner sei nun aufgefordert, "diesem Treiben sofort ein Ende zu setzen", so Schwertner. "Die Internierung tritt die Kinderrechte mit Füßen, widerspricht jeglicher Menschlichkeit und ist ein Schandfleck für Österreich", konstatierte das Don Bosco Flüchtlingswerk in einer Aussendung und forderte gleichsam die Schließung der Unterkunft.

Es sei wichtig, Erfahrungswerte zu sammeln, betonte Waldhäusl in einer Aussendung. "Immerhin ist es erstmalig, dass eine derartige Unterkunft installiert worden ist. In drei bzw. sechs Monaten werden die Erfahrungen evaluiert." Die Jugendlichen dürften das Haus verlassen - sie müssten sich aber vorher bei der Security anmelden: "Sie dürfen raus - aber in Begleitung", so Waldhäusl.

Auf die Frage, ob er die volle Rückendeckung von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) habe, sagte Waldhäusl: "Ich bin verantwortlich in diesem Bereich und brauche mit niemandem etwas absprechen." Er müsse vielmehr "für Ruhe und Ordnung sorgen".

"Schande für Österreich"

Drasenhofens Bürgermeister Reinhard Künzl (ÖVP) sagte im Morgenjournal, dass die Unterkunft an der tschechischen Grenze eine "Schande für Österreich" sei: "Es wird jeder denken, wenn ich einen Stacheldraht sehe, dann sind das Verbrecher." Das seien die Jugendlichen aber nicht, sonst wären sie verurteilt "und sitzen irgendwo in einem Gefängnis".

Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen in Drasenhofen seien dazu gedacht, dass Konflikten der Asylwerber untereinander rascher begegnet werden könne. "Schließlich sind beispielsweise notorische und potenzielle Unruhestifter darunter, die schon in anderen Unterkünften anderen Mitbewohnern und Betreuern das Leben schwer gemacht haben. Jugendliche eben, die zwar immer auf ihre Rechte gepocht, aber ihre Pflichten grob vernachlässigt haben", so Waldhäusl. "In Drasenhofen soll daher ein gewisses Maß an Ordnung und Struktur geboten werden, wie das ja auch bei unseren einheimischen, schwer erziehbaren Jugendlichen der Fall ist."

Für die SPÖ Niederösterreich habe das Thema Sicherheit oberste Priorität, so die Landtagsabgeordnete Schindele. "Jedoch hat auch die Wahrung der Menschenwürde eine große Bedeutung und es steht außer Zweifel, dass eine derartige Internierung, wie wir sie derzeit in Drasenhofen vorfinden, höchst unmenschlich ist."

Es stelle sich die Frage, ob solche Bedingungen nicht den Tatbestand des rechtswidrigen Freiheitsentzugs erfüllen. Seitens der Asyl-NGOs und Bezugspersonen der Flüchtlinge überlege man, eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft einzubringen, so die asylkoordination in einer Aussendung.

Kinder- und Jugendanwaltschaft prüft

Einem Online-Bericht des "Kurier" zufolge hat sich die niederösterreichische Kinder- und Jugendanwaltschaft bereits in den Fall eingeschaltet. "Wir überprüfen im Rahmen unserer rechtlichen Möglichkeiten", sagt Leiterin Gabriela Peterschofsky-Orange. "Was wir bis jetzt gehört haben, scheint es nicht den Kinderrechten zu entsprechen." Auch die Volksanwaltschaft teilte laut dem Online-Bericht mit, dass sie bereits eine Prüfung eingeleitet habe.

Quartier "nicht geeignet"

Das umstrittene Asyl-Quartier in Drasenhofen ist "aus jugendrechtlicher Sicht im derzeitigen Zustand nicht geeignet". Zu diesem Schluss kommt die Kinder- und Jugendanwaltschaft Niederösterreich nach einem Lokalaugenschein. Und: "Der Stacheldraht ist jedenfalls mit Jugendrechten nicht vereinbar und unverzüglich zu entfernen."

"Auch Jugendliche im Asylverfahren und solche mit rechtskräftig negativem Asylbescheid haben - so wie alle anderen Jugendlichen - ein Recht auf adäquate jugendgerechte Betreuung, auch wenn ihnen Fehlverhalten vorgeworfen wird", stellte die Kinder- und Jugendanwaltschaft unter der Leitung von Gabriela Peterschofsky-Orange am Freitag fest. Die Jugendlichen seien aus Drasenhofen "bis zur Herstellung eines geeigneten Zustands zu verlegen - und muss eine geeignete Betreuung sichergestellt werden. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Niederösterreich fordert die zuständigen Stellen auf, die Einhaltung der Jugendrechte für die Jugendlichen zu gewährleisten", hieß es in einer Aussendung.

Landeshauptfrau am Zug

Die Empfehlungen der Kinder- und Jugendanwaltschaft seien "umgehend umzusetzen", reagierte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Sie habe Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) informiert und mit der Bezirkshauptfrau von Mistelbach, Gerlinde Draxler, gesprochen. Letztere werde "die entsprechenden Maßnahmen sofort einleiten", so Mikl-Leitner am Freitagnachmittag.