Lob für das Mindestsicherungskonzept der türkis-blauen Bundesregierung gibt es vom Rechnungshof, Kritik kommt NEOS, ÖGB und Hilfsorganisationen. "Wenn die Bundesregierung jetzt die Mindestsicherung österreichweit regelt, ist das ein Schritt, den ich begrüße", erklärte Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker am Mittwoch auf APA-Anfrage.

Über die inhaltliche Ausgestaltung werde es sicher noch Diskussionen geben. "Aber der Rechnungshof und ich haben schon vor einiger Zeit empfohlen, dass es gerechter und transparenter ist, wenn es ein österreichweites Gesetz gibt, dass die Grundsätze der Mindestsicherung regelt und die Bundesländer die Ausführung festlegen. Es freut mich, wenn die Bundesregierung jetzt dieses Reformprojekt in Richtung Harmonisierung auf den Weg bringt", meinte Kraker.

Neos: "Große Baustellen nicht angegangen"

Für diese Nicht-Reform hätte man keine sieben Monate gebraucht, erklärte indes NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker. "Wir bekommen das erzählt, was bereits im Mai mit viel Getöse präsentiert wurde." Die Regierung schaffe es offensichtlich nicht, faktenbasierte, faire und vor allem chancenorientierte Sozialpolitik zu machen. "Die großen Baustellen werden nicht angegangen. Auch in Zukunft wird die Mindestsicherung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausgestaltet sein. Die Wartefrist für EU-Bürgerinnen und Bürger ist dazu auch höchst fragwürdig", so Loacker.

Kritisch sehen die NEOS den mangelnden Fokus auf Erwerbsanreize: "Die Mindestsicherung sollte ein Sprungbrett zurück in die Arbeitswelt und in ein selbstständiges Leben sein." Die NEOS vermissen zudem die Zusammenführung von Mindestsicherung und Notstandshilfe, die der Rechnungshof seit Jahren fordert und die die NEOS in Form eines "Bürgergeldes" im Programm haben.

ÖGB sieht Stimmungsmache

Der ÖGB warf der Regierung vor, mit dem Thema Stimmung gegen Geflüchtete machen zu wollen. Zugleich befürchtet man, dass schon bald die Notstandshilfe gestrichen wird und Notstandshilfebezieher - Vermögenszugriff inklusive - in die Mindestsicherung gezwungen werden. "Dann haben wir die österreichische Variante von Hartz IV", so der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achatz.

Karitative Organisationen kritisierten die Regierungspläne am Mittwoch ebenfalls. Die geplanten Änderungen würden vor allem Familien und Kinder treffen, so der Vorwurf von Caritas und Volkshilfe. "Niemand kann sich Kinderarmut oder eine Vergrößerung der sozialen Ungleichheit wünschen", hieß es seitens der Caritas. Bei der Volkshilfe befürchtet man eine "Abwärtsspirale", die armen Kinder von heute würden zu den "arbeitslosen, armen, obdachlosen Erwachsenen von morgen", erklärte Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger.

Ziel verfehlt

Die neue Mindestsicherung verfehle das Ziel der Armutsvermeidung, monierte auch die Plattform für Alleinerziehende. "Gerade eine Abstufung nach der Kinderanzahl hat für Alleinerziehende mit drei kleineren Kindern massive Auswirkungen. Hier werden die Kürzungen deutlich spürbar", erklärte die stellvertretende Plattform-Vorsitzende Evelyn Martin.

Das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR zeigte sich anlässlich des präsentierten Entwurfs besorgt über die angedachten Einschnitte für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte. "Durch die geplanten Einschränkungen drohen Geflüchtete weit unter die Armutsgrenze abzurutschen. Das ist eine denkbar schlechte Voraussetzung für ihre Integration", UNHCR Österreich-Leiter Christoph Pinter.

Kritik aus Kärnten

Scharfe Kritik am Mindestsicherungspaket der Bundesregierung hat am Mittwoch die Kärntner Sozialreferentin Beate Prettner (SPÖ) geübt: "Entweder die Bundesregierung hat das Konzept der Mindestsicherung nicht verstanden oder aber sie versucht ganz gezielt, Armut mit Sozialschmarotzertum, das zu bestrafen ist, gleichzusetzen", sagte Prettner in einer Aussendung.

Die Ausgaben für die Mindestsicherung würden lediglich 0,9 Prozent der gesamten Sozialausgaben ausmachen, so die Sozialreferentin - zu glauben, dass man hier noch weiter einsparen könne, sei "verwegen". Sie warnte auch davor, dass die geplanten Einsparungen vor allem Kinder treffen würden, das dritte Kind einer armutsgefährdeten Familie würde "nur noch fünf Prozent von 863 Euro, also 43,15 Euro" bekommen. Prettner sprach von einem "Armutsverschärfungsprogramm".

Lob und Tadel aus der Steiermark

KPÖ und Grüne in der Steiermark befürchten eine Verschärfung der Kinderarmut. Die FPÖ lobte die "massive Kürzungen für integrationsunwillige und arbeitsverweigernde Ausländer" (Zitat).

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer wollte das Mindestsicherungspaket noch nicht abschließend beurteilen, sah "aber einen Schritt in die richtige Richtung".

Für die zuständige SPÖ-Soziallandesrätin Doris Kampus bleiben nach dem Ministerrat "sehr viele Fragen offen".
Sie befürchte konkret Nachteile für Kinder (erhalten in der Steiermark nicht 12, sondern 14 Mal die Mindestsicherung) und für Behinderte (erhalten in der in der Steiermark über das BH-Gesetz mehr). Positiv erwähnte Kampus den Bonus für Alleinerzieher.