In der Debatte um die Bekämpfung von Hass im Netz spricht sich NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger für die Verankerung eines Tatbestands "psychische Gewalt" aus, und zwar entweder im Strafrecht oder im Verwaltungsstrafrecht. "Wir müssen hier ein Signal setzen, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist", sagte sie am Sonntag in der ORF-"Pressestunde".

Allerdings müsse man da über die Beweiswürdigung reden. Im Strafrecht komme man hier rasch in Konflikt mit der Unschuldsvermutung, so Meinl-Reisinger in Hinblick auf den Fall der Ex-Grünen Sigrid Maurer, die nach der Offenlegung des mutmaßlichen Autors einer obszönen Messenger-Nachricht in erster Instanz der üblen Nachrede schuldig gesprochen worden war.

Meinl-Reisinger verwies hier auf die von ÖVP-Staatssekretärin Karoline Edtstadler angestoßenen Überlegungen zum Opferschutz. Die Staatssekretärin selbst brachte am Sonntag eine Verfassungsänderung in Sachen Unschuldsvermutung ins Spiel.

Meinl-Reisinger ging in der Pressestunde ansonsten auf deutliche Distanz zur ÖVP. Der Kompass von Parteichef Sebastian Kurz sei ausschließlich auf "Macht" ausgerichtet, es gehe um das Umfärben und um das Besetzen von Positionen mit Vertrauensleuten, das reiche aber nicht aus. Auch dass ihre Partei der türkis-blauen Koalition beim Staatsziel Wirtschaft die Unterstützung zur Erreichung der Zweidrittelmehrheit versagt, weil die Koalition gleichzeitig bei der Umweltverträglichkeitsprüfung die Zivilgesellschaft schikanieren wolle, verteidigte sie.

Keine Zusammenarbeit mit der FPÖ

Als Koalitionspartner schloss sie die ÖVP dennoch nicht aus. Lediglich mit der FPÖ sei eine Zusammenarbeit nicht denkbar, denn diese wolle weg von Vielfalt, Offenheit und der liberalen Demokratie, sagte Meinl-Reisinger. Bei der ÖVP hingegen müsse man sich anschauen, ob sie wie Ungarn auf dem Weg zu einer illiberalen Demokratie sei, das sei dann nämlich gar keine.

Zum "Staatsziel Wirtschaft", wo sich die Neos nicht der Regierung anschließen wollen, meinte Meinl-Reisinger, es sei wichtig den Umweltschutz weiter zu verfolgen und nicht Wirtschaft und Umwelt gegeneinander auszuspielen.

Für den Schulbereich regte sie an, eine Woche der Sommerferien in eine "digitale Projektwoche" umzuwandeln und freie Tage im Herbst zu koordinieren bzw. schulautonome Tage in "familienautonome Tage" umzuwandeln. Sie könnte sich auch eine Schulbewertung - eine Art Ranking - vorstellen, den schlecht bewerteten Schulen müsste man dann konkrete Hilfestellung geben.

Wirkliche Probleme statt Kopftuch

Zum Kopftuchverbot meinte sie, wirkliche Probleme ließen sich mit solchen Themen nicht lösen. Außerdem: "Religionsfreiheit heißt für mich auch Freiheit von Religion". Bei genauerer Betrachtung müssten in der Folge auch die Kippa oder andere religiöse Symbole infrage gestellt werden. Sie wünscht sich jedenfalls eine Debatte im Parlament über Staat und Religion.

Dem österreichischen EU-Ratsvorsitz stellte sie kein gutes Zeugnis aus, in Sachen Außengrenzschutz und anderen Themen hätte man mehr voranbringen können. Die EU brauche eine wirkliche Afrika-Politik sowie die Umsetzung des Marshallplans für Afrika und eine clevere, selbstbewusste Einwanderungspolitik: "Wir haben das Recht zu sagen, wen wir wollen. Derzeit ist die einzige Möglichkeit für Zuwanderer der Asylantrag, da haben wir keinen Einfluss."

Eine EU-Armee widerspräche nicht der Neutralität, der erratische Kurs von Donald Trump könne auch als Chance für Europa gesehen werden, eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik aufzubauen und parallel dazu vom Einstimmigkeitsprinzip wegzukommen.

Türkis-blauer Ärger

Dass die NEOS der Verankerung des Staatsziels Wirtschaft in der Verfassung ihre Unterstützung entzogen haben, sorgte auch am Sonntag für Kritik vonseiten der ÖVP und FPÖ. Die NEOS hätten sich zu einer wirtschaftsfeindlichen Partei entwickelt, kritisierte ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer nach dem Auftritt von NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger in der ORF-Pressestunde.

Ähnlich sah man das bei der FPÖ. Die NEOS sollten ihre "Verhandlungsspielchen" im Sinne der Demokratie hintanstellen, forderte Generalsekretär Harald Vilimsky in einer Aussendung.