In die Debatte um die Empfehlungen des Innenministeriums zum Umgang mit kritischen Medien hat sich am Dienstag am Rande der UNO-Generalversammlung in New York auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu Wort gemeldet. Van der Bellen kritisierte - wie zuvor schon Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) - das Innenministerium mit FPÖ-Minister Herbert Kickl für seine Pläne.

"Die Freiheit der Meinungsäußerung, die Medien- und Pressefreiheit sind Grundpfeiler unserer liberalen Demokratie und unseres Rechtsstaates in Österreich. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist inakzeptabel", betonte Van der Bellen. Jedes Medium sollte den gleichen, freien Zugang zu Informationen haben, eine Diskriminierung einzelner Medien darf nicht vorkommen.

Öffentliche Stellen hätten die Pflicht, die Medien umfassend zu informieren und so den Bürgerinnen und Bürgern die Teilhabe an der demokratischen Diskussion zu ermöglichen. Der Bundespräsident begrüßte deshalb die Klarstellung des Bundeskanzlers, dass Einschränkungen der Pressefreiheit nicht akzeptabel sind und Regierungsinstitutionen und öffentliche Einrichtungen für den unabhängigen Journalismus hohe Verantwortung haben.

Kanzler Kurz hatte Kickl schon zuvor zur Ordnung gerufen: Es dürfe durch Kommunikationsverantwortliche keine Ausgrenzung gewisser Medien geben, betonte Kurz.

"Für einen freien und unabhängigen Journalismus im Land tragen besonders Parteien und Regierungsinstitutionen sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Verantwortung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel", so Kurz' Botschaft in Richtung Innenminister Herbert Kickl vom Koalitionspartner FPÖ.

Die Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler (ÖVP), ist am Dienstag auf Distanz zu jenem E-Mail aus ihrem Ressort gegangen, wonach die Polizeipressestellen kritische Medien von Informationen ausschließen sollen. "Sie wissen, dass ich nicht nur eine Kennerin, sondern auch eine Verfechterin der Europäischen Menschenrechtskonvention bin", sagte sie am Rande einer Pressekonferenz.

Dazu gehöre das Recht auf Meinungsfreiheit "und darin beinhaltet ist auch die Pressefreiheit", erklärte Edtstadler. "Das steht nebenbei auch in Österreich im Verfassungsrang und daher ist für mich jede Einschränkung der Meinungsfreiheit oder auch der Pressefreiheit inakzeptabel."

Kickl will sich nicht selbst stellen

Auch die Oppositionsparteien üben heftige Kritik an Überlegungen des FPÖ-geführten Innenministeriums, kritische Medien mit einer Info-Sperre zu belegen und den Fokus in der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit stärker auf Ausländerkriminalität zu richten. Die SPÖ forderte Konsequenzen für Innenminister Herbert Kickl, NEOS und Liste Pilz wollen den FPÖ-Minister im Nationalrat stellen.

Kickl ließ indes zunächst wissen, dass er sich bei der Dringlichen Anfrage am Mittwoch vertreten lassen werde. Staatssekretärin  Edtstadler (ÖVP) werde statt ihm die Dringliche Anfrage der NEOS beantworten. Wenig später ruderte er zurück: Die Vertretung habe sich auf andere Tagesordnungspunkte bezogen.

SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda nannte die "Empfehlungen" des Innenministeriums einen "Maulkorberlass für unabhängige Medien". Politisch verantwortlich dafür sei der Innenminister. Die Letztverantwortung dafür trage allerdings Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der dem Treiben seines Innenministers auch beim BVT seit Monaten tatenlos zusehe. "Ich fordere Kurz auf, seinem Bekenntnis zu Pressefreiheit Taten folgen zu lassen und klare Konsequenzen zu ziehen, um diese versuchte Orbansierung Österreichs zu verhindern", so Drozda.

"Anschlag auf die Pressefreiheit"

Der Versuch einer Einflussnahme nach dem Prinzip "Zuckerbrot und Peitsche" auf die Vierte Gewalt im Staat sei in Österreich einmalig und entschieden zurückzuweisen, erklärte der SP-Mediensprecher. Der Kärntner Landeshauptmann und SPÖ-Chef Peter Kaiser sowie die oberösterreichische SPÖ-Chefin Birgit Gersthofer legten Kickl den Rücktritt nahe. Der steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer erklärte,eine Ausgrenzung von Medien sei "völlig inakzeptabel". Der Bundespräsident sei aufgerufen, "sehr schnell" das Gespräch mit dem Kanzler zu suchen, um das zu bereinigen. "Das ist ein Anschlag auf die Pressefreiheit."

Besorgt reagierte NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger. "Ein derart frontaler Angriff auf die Pressefreiheit ist völlig inakzeptabel. Der Innenminister verliert jede Hemmschwelle. Kritische Stimmen zu bestrafen und gefügige Medien zu belohnen, kennt man eigentlich nur aus illiberalen Autokratien. Kickl ist ein echtes Risiko geworden - er ist endgültig rücktrittsreif", so Meinl-Reisinger. Dass die Herkunft von Tätern öffentlich genannt werden soll und keine Rücksicht mehr auf den Opferschutz bei Sexualdelikten genommen wird, zeige wohin die Reise geht.

"Kickl muss Konsequenzen ziehen"

Dass Kickl vom Schreiben seines Ressortsprechers angeblich nichts wusste, sei das übliche Spiel des Ministers. "Kickl muss sich verantworten und Konsequenzen ziehen." Die NEOS wollen den Innenminister daher während der Nationalratssitzung am Mittwoch ins Plenum holen, um eine Dringliche Anfrage an ihn zu richten. "Sollte er sich wieder mit absurden Begründungen herausreden wollen und erneut jede Verantwortlichkeit von sich weisen, werden wir einen Misstrauensantrag gegen Herbert Kickl einbringen", sagte Meinl-Reisinger. Den Worten von Bundeskanzler Kurz müssten Taten folgen. "Ich hoffe, dass dies nicht zur Message-Control von Bundeskanzler Kurz gehört. Es braucht hier endlich Konsequenzen."

"Gleichschaltung der Medien"

Für Bruno Rossmann, den Klubobmann der Liste Pilz, ist das Mail des Innenministeriums zur Beschränkung der Information an bestimmte Medien "unfassbar". Rossmann zeigte sich in einer Pressekonferenz "geschockt" und sprach vom "Beginn der Kontrolle und der Gleichschaltung der Medien". Wer kritische Medien in Frage stelle, der stelle die Demokratie in Frage. Er habe immer vor einer "Orbanisierung" Österreichs gewarnt, diese trete nun viel rascher als gedacht ein, sagte Rossmann.

"Kickl ungeeignet, wenn nicht untragbar"

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) ist seiner Ansicht nach für dieses Amt "zumindest ungeeignet, wenn nicht untragbar". Für Sicherheitssprecherin Alma Zadic ist Kickls Rücktritt "mehr als überfällig". In einer parlamentarischen Anfrage spricht sie von "Zensur im Innenministerium". In insgesamt 50 Fragen will sie vom Innenminister unter anderem wissen, wer die politische Verantwortung dafür trägt, ob es in seinem Ressort eine Liste kritischer Medien gebe und warum die Staatsbürgerschaft mutmaßlicher Täter künftig genannt werden soll.

"Propaganda- und Pferdeminister"

"Kickl wünscht sich ein uninformiertes Volk, damit er mit seinen Burschenschafter-Freunden in Ruhe den Staat umbauen kann! Eine kritische Medienöffentlichkeit ist ihm dabei ein Dorn im Auge, deshalb möchte der Propaganda- und Pferdeminister sie abdrehen. Mit der Informationssperre gegen kritische Zeitungen nimmt Kickl die Demokratie direkt unter Beschuss", formulierte Julia Herr, Vorsitzende der Sozialistischen Jugend. "Die Polizei soll ein weiteres Rad in Kickls Propagandamaschinerie werden", so Herr.  Kickl verzerre die Informationspolitik der Polizei, so dass sie seiner rechtspopulistischen Stimmungsmache in die Hände spiele. "Gleichzeitig werden rechtsextreme Medien und Verschwörungsblätter mit öffentlichen Inseraten gefördert."

Innenministerium verteidigt sich

Der Freiheitliche schickte den Leiter der Präsidialsektion, Karl Hutter, in der Causa vor. "Von einer 'Informationssperre' kann keine Rede sein", stellte Hutter fest. Im kritisierten Schreiben des Ressortsprechers, das an verschiedene Polizeidienststellen versandt wurde, werde nicht nur ausdrücklich auf das "rechtlich vorgesehene" Maß der Zusammenarbeit mit Medien hingewiesen, sondern es wurde zur Erläuterung auch eine umfangreiche Passage aus dem Auskunftspflichtgesetz beigefügt.

Hutter betonte als Vorgesetzter des Verfassers, dass es sich bei dem Mail weder um eine Weisung handle noch um ein Schreiben, das im Auftrag oder auch nur im Wissen des Innenministers oder seines Kabinetts verfasst wurde. Formulierungen wie "Schreiben aus dem Ministerbüro" oder gar "Geheimpapier" seien deshalb unzutreffend, erklärte Hutter in einer Aussendung.

Keine "Leitlinie"

"Das Mail stellt auch keineswegs eine Leitlinie für die Arbeit der Kommunikations-Mitarbeiter im Bundesministerium und den Landespolizeidirektionen dar", sagte Hutter. Die Prinzipien der Medienarbeit seien aktuell im "Erlass für die interne und externe Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums für Inneres (BMI) und der nachgeordneten Behörden und Dienststellen" geregelt.

Das Innenministerium will die aktuelle Debatte zum Anlass für eine Neufassung der Grundlagen der Medienarbeit nehmen. "Wir werden unter meiner Koordination und unter Federführung des Kommunikations-Abteilungsleiters neue Leitlinien erstellen. Diese werden nach Fertigstellung auch den Kolleginnen und Kollegen der Medien zur Verfügung gestellt", kündigt Hutter an.