Was ist diese Woche in der SPÖ passiert? War es ein kommunikationspolitischer Super-GAU oder steckt mehr dahinter?


ANTON PELINKA: Es war eine gegen Kern gerichtete Intrige, die Kern mitzuverantworten hat, weil er damit hätte rechnen müssen. Diese ist von Leuten orchestriert worden, die es in Kauf genommen haben, dass sie der eigenen Partei schaden. Kern wollte im Kreis der Landesparteichefs sondieren, wie es wäre, wenn er bei der EU-Wahl antritt. Dass es so gespielt wurde, auch mit dem Gerücht, er gehe zu Gazprom – solche bösartigen Gerüchte kommen immer nur aus der eigenen Partei.

So was kennt man nur aus der ÖVP?

ANTON PELINKA: Absolut, die SPÖ ist die ÖVP von gestern, ein Intrigantenstadl, wo persönliche Rechnungen beglichen werden, ohne Rücksicht auf das Wohl der Partei. Alles, was in der Vor-Kurz-Ära in der ÖVP eine Rolle gespielt hat, das Beleidigtsein, sehen wir jetzt in der SPÖ.

Die SPÖ hat sich stets durch Geschlossenheit ausgezeichnet. Warum ist es nicht mehr so?

ANTON PELINKA: Das hat mit dem Wahlergebnis des Vorjahrs zu tun. Da gibt es Verwundungen, dass Kern womöglich mit dabei war, als Faymann abserviert wurde.

Dass mit Rendi-Wagner jemand die Partei übernimmt, der vor zwei Jahren noch gar nicht Mitglied war: Ist das ein Risiko oder auch eine Chance?

ANTON PELINKA: Beides. Gerade nach den Erfahrungen der abgelaufenen Woche ist es eine kühne Ansage, die ein hohes Risiko beinhaltet. Sie ist zwar keine Quereinsteigerin mehr. Die SPÖ hat die große Chance, von einer Frau geführt zu werden, die die Partei klar erkennbar positioniert. Rendi-Wagner ist von jenen gefährdet, die Kern die Falle gestellt haben. Kern war ein Umsteiger. Dass er sich so aufs Eis hat führen lassen, hat mich sehr überrascht.

Die eine Gefahr sind die SPÖ-internen Heckenschützen. Die andere Frage ist: Meistert sie die Aufgabe als Oppositionschefin?

ANTON PELINKA: Für den Oppositionschef gibt es kein Rollenbild. Er kann als zu scharf, als zu weich empfunden werden. Entscheidend ist, dass man Wahlen gewinnt. Angesichts des Mutes der ÖVP vor eineinhalb Jahren, etwas Riskantes zu wagen und damit Erfolg zu haben, ist es sinnvoll, sich für eine junge, relativ unerfahrene Frau, die ein gutes Auftreten hat, zu entscheiden.

Ein Grund, warum Kern bei der EU-Wahl antreten will, scheint zu sein, dass er die Verwundung der Wahlniederlage wettmachen will und Kurz eine Wahlniederlage zufügen will. Geht die Rechnung auf?

ANTON PELINKA: Die Chance ist da. Ob sie über 50 Prozent beträgt, weiß ich nicht. Die ÖVP steht auch vor einem Dilemma: Stellt sie Karas auf oder nicht? Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Interview: M. Jungwirth