Es gibt wenige, die vor wenigen Tagen noch darauf gewettet hätten, dass Pamela Rendi-Wagner die neue Chefin der SPÖ wird. Zu sehr hatte der emotionale und eruptive Abgang des Christian Kern den Verdacht genährt, dass Quereinsteiger dem rauen politischen Wind zu wenig entgegenzusetzen vermögen und im Fall des Falles nicht krisenfest sind.

Es kam anders, und nicht im Laufe eines lähmenden, selbstzerstörerischen Ringens über drei Wochen hinweg sondern innerhalb weniger Stunden schwenkte die gesamte Partei hinter einer neuen Frontfrau ein.

Sie ist Frontfrau und noch nicht Ikone, auch wenn sie sich innerhalb weniger Monate viele Meriten innerhalb der Sozialdemokraten erworben hat:

Sie stieg nach dem Tod von Sabine Oberhauser quer als Gesundheitsminister ein und erwarb sich kraft Fachwissen und Erfahrung rasch Akzeptanz.

Sie wechselte unglaublich rasch das Fach und mutierte von der gewiften Expertin zur überzeugten und überzeugenden Politikerin, die auch Angriffe der damaligen Opposition routiniert parierte.

Nach nur neun Monaten im Amt auf die Oppositionsbank verwiesen, arbeitete sie sich auch in dieses neue "Fach" rasch ein und wurde im Parlament zur Speerspitze gegen die Regierung, die ihr gerade in Gesundheitsfragen einen Ball nach dem anderen auflegte.

Nach dem überstürzten Rückzug des SPÖ-Chefs, der sie in die Politik geholt hatte und der ihr Mentor war, verfiel sie nicht in Schockstarre, wie viele andere  Funktionäre in der Partei, und sie zeigte auch keine Feigheit vor dem "Feind", als ihr Name als mögliche Nachfolgerin genannt wurde.

Der "Feind" nämlich sitzt in den eigenen Reihen. Die SPÖ fand sich in die Erkenntnis, dass Rendi-Wagner ihre einzige gute Karte im Spiel ist: Weil sie keine anderen Interessen hat, die ihr oder der Partei wichtiger sind (wie die Landeshäuptlinge Hans Peter Doskozil und Peter Kaiser oder Doris Bures als präsumptive Kandidatin für die nächsten Präsidentschaftswahl), und weil sie sowohl optisch (als Frau) als auch fachlich (als Sozial- und Gesundheitsexpertin) das ideale Gegenprogramm zur Kurz und Strache verkörpert.

Sowohl die Äußerungen etwa des starken Wiener SPÖ-Chefs Michael Ludwig als auch von Gewerkschaftern legen jedoch davon Zeugnis ab, dass Rendi-Wagner unter Beobachtung steht. Ohne es auszusprechen signalisieren sie: Es ist eine Probezeit. Gelingt es ihr, sich als Speerspitze gegen die Regierung zu positionieren, wird man sie auch bei der Wahl in vier Jahren unterstützen. Wenn nicht, ist sie spätestens dann wieder weg.

Was Ludwig und auch dem neuen, starken Gewerkschaftschef Wolfgang Katzian hoffentlich bewusst ist: Das Gelingen hängt ganz wesentlich auch davon ab, wie sehr sich die Granden vor, neben und hinter sie stellen. Und: Auch diese Granden - Ludwig, der in Wien 2020 der FPÖ Paroli bieten muss, die Gewerkschaft, die den Druck der Regierung auf die Sozialpartner verspürt - können profitieren, wenn sie den Paarlauf mit Rendi-Wagner wagen.

Eine Intrige der Art, wie sie zur Demontage des Noch-Parteichefs führte ist unverzeihlich und darf nicht wieder passieren, wenn sich die SPÖ selbst noch ernst nehmen und nicht der Lächerlichkeit preisgeben will.

Nicht zuletzt: Auch eine Regierung, die irrtumsfähig bleiben will, braucht eine starke Opposition. Möge die Übung gelingen.