Die Chefin der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), Ingrid Reischl, hat  vor deutlichen Auswirkungen für Patienten gewarnt, wenn die geplante Neustruktur wie vorgesehen kommt. Sie bezweifelte im Ö1-Morgenjournal, dass es die versprochene "Milliarde" für die Versicherten geben wird. "Das kann sich nicht ausgehen", zeigte sie sich überzeugt. Reischl sprach von einer "absurden" Summe.

Sie könne dies auch leicht vorrechnen, versicherte sie: "Wir geben im Jahr 90 Mio. Euro für die Verwaltung aus. Wenn ich jetzt alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kündigen würde, dann würde ich 90 Millionen sparen, aber es wird ja weiterhin Mitarbeiter brauchen, vor allem, wenn es um so eine riesige Fusion geht." Es werde den Patienten eine Milliarde versprochen, gleichzeitig seien im Gesetzesentwurf mehr Belastungen für die neue Krankenversicherung enthalten. Theoretisch müsse man somit fast zwei Milliarden Euro einsparen.

Weniger Mittel zur Verfügung

Sie nannte dazu ein Beispiel: "Die Privatspitäler bekommen von der Krankenversicherung eine Pauschalzahlung. Diese Pauschalzahlung wird exorbitant erhöht. Die Privatspitäler sollen noch einmal 14,7 Mio. Euro jährlich bekommen zu den normalen Erhöhungen." Somit stünden der neuen Österreichischen Krankenversicherung weniger Mittel zur Verfügung. Gleichzeitig müsse diese die Unfallbehandlung übernehmen und damit die Beitragssenkung, die den Arbeitgebern versprochen worden sei.

Das Geld, das dem System entzogen wird, werde fehlen: "Das werden die Versicherten spüren." Wenn man Posten nicht nachbesetzt, werde man das merken, warnte Reischl. Wenn man etwa in den Außenstellen weniger Menschen hat, dann werde es dort zu längeren Wartezeiten kommen. Zuletzt habe man auch in den Wahlarzt-Bereich investiert, damit die Menschen nicht so lange auf ihre Wahlarzt-Rechnungen warten müssten: "Wenn ich hier nicht mehr nachbesetzen kann, werden die Menschen länger auf ihr Geld warten."

Längeres Warten auf Krankengeld

Auch in anderen Abteilungen drohen laut Reischl Auswirkungen: Es werde etwa länger dauern, bis das Kinderbetreuungsgeld kommt. Auch auf das Krankengeld würden die Menschen länger warten müssen, prophezeite sie.

Die WGKK-Obfrau gab zu bedenken, dass man schon vor über einem Jahr angeboten habe, die Aufgaben über die gesamte Sozialversicherung zu bündeln. Man sei davon ausgegangen, dass man 100 Mio. Euro sparen könne: "Das wäre möglich. Das ist ein langsamer Prozess." Reischl wies zudem darauf hin, dass die Leistungen zuletzt harmonisiert worden seien. Wenn nun aber die Beiträge in den jeweiligen Landesorganisationen blieben, sei dies nicht mehr möglich.

FPÖ: Unwahre Panikmache

Der geschäftsführende FPÖ-Klubobmann im Parlament, Johann Gudenus, konstatierte anlässlich der Kritik "unwahre Panikmache": "Mit der WGKK-Obfrau spricht eine abgehobene Funktionärselite, die das Sozial- und Gesundheitssystem in den vergangenen Jahren in die falsche Richtung geführt hat. Die Folge waren Verschlechterungen für die Patientinnen und Patienten sowie immens lange Wartezeiten." Die Regierung beende nun die Herrschaft einer "abgehobenen Funktionärskaste", kündigte Gudenus in einer Aussendung an - wobei er mehr Mittel für den medizinischen Bereich versprach.

Auch Warnung aus Salzburg

Sozialversicherungs-Monopoly, Machtübernahme, Ende der Selbstverwaltung: Mit scharfen Worten kritisiert auch die Salzburger Gebietskrankenkasse den Entwurf der Bundesregierung zur Sozialversicherungsreform: "Die Industrie darf sich endlich über mehr Einfluss und Kostensenkungen freuen, die privaten Krankenversicherungen reiben sich schon die Hände", heißt es in einer Aussendung der GKK Salzburg.

"Der Regierung ging es nie darum, ein eigentlich funktionierendes System zu verbessern und weiter zu entwickeln. Letztendlich geht es um die Übernahme der Macht, damit die Regierungsparteien endlich in ihrem Sinne und im Sinne ihrer Unterstützer Handlungsfreiheit haben", betonte des Salzburger Kassenobmann Andreas Huss. Künftig treffe die Wirtschaft die Entscheidungen, wie das Geld der Arbeitnehmer eingesetzt werde. "Dass dieser Eingriff in die Selbstverwaltung verfassungsrechtlich nicht halten wird, darüber sind Verfassungsrechtler weitgehend einig", heißt es in der Stellungnahme.

Kopfschütteln über Pläne

Weiters kritisiert Huss, dass bereits der Überleitungsausschuss von einem Dienstgeber-Vertreter geführt werden soll. "Weitere führende Positionen für die Übergangszeit besetzt das FPÖ-Ministerium und übernimmt somit die strategische Ausrichtung der Krankenversicherung." Auch der Plan eines halbjährlich wechselnden Vorsitzes im Verwaltungsrat der ÖGK sorge für Kopfschütteln: Kein moderner und zukunftsorientierter Betrieb würde ein solches Hüh-Hott-Management überleben.

Sorgen macht sich die GKK Salzburg auch um lokale Vertragspartner, weil Aufträge nicht mehr vor Ort vergeben werden könnten. "Gelder der Salzburger in Millionenhöhe fließen aus dem Bundesland ab, und Großkonzerne bringen sich als neue Zulieferer bereits in Stellung." In Salzburg geht es laut GKK um rund 30 Millionen Euro an direkten Ausgaben an lokale Vertragspartner. "Mittelfristig wird diese Reform die Salzburger Wirtschaft mit voller Wucht treffen."

Mit wenig Widerstand muss der Bund aus der Salzburger Landesregierung rechnen: Gesundheitsreferent LHStv. Christian Stöckl (ÖVP) zeigte sich mit dem Entwurf "insgesamt zufrieden". Wichtig sei, dass es gelungen sei, die Gelder der Salzburger Versicherten in Salzburg zu behalten. Dem Argument, dass Entscheidungen künftig zentral getroffen werden sollen, hält er entgegen, dass Salzburg ja in den Gremien mitreden könne. Weniger Freude hat Stöckl allerdings ebenfalls mit den kurzen Zeitabständen der Vorsitz-Wechsel: Mit längeren Funktionsperioden könnten sich die Leute besser einarbeiten.