Die Opposition liegt weiter im Clinch mit dem Innenministerium: SPÖ, NEOS und Liste Pilz werfen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vor, dem BVT-Untersuchungsausschuss Akten vorzuenthalten und wenden sich deshalb nun an den Verfassungsgerichtshof. Die Abgeordneten rechnen damit, dass das Höchstgericht binnen vier bis fünf Wochen eine Entscheidung fällt, hieß es bei einer Pressekonferenz am Dienstag.

Der wahre Charakter zeige sich erst dann, wenn man Macht besitze, und Kickl falle als Innenminister durch ein "extrem autoritäres Verhalten" auf, befand SPÖ-Fraktionschef Jan Krainer. Kickl habe keinerlei Interesse, die Arbeit des Parlaments auf irgendeine Art zu unterstützen - im Gegenteil, er versuche zu "vertuschen". Krainer schätzt, dass das Innenministerium nur zehn Prozent der eigentlich vorhandenen BVT-Akten geliefert hat. "Wir lassen uns das nicht gefallen", deshalb bringe man nun eine Klage beim Höchstgericht ein, erklärte Krainer, der sich bei der Pressekonferenz derart auf den Innenminister einschoss, dass er sogar die neben ihm platzierte NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper unabsichtlich als "Kollegin Kickl" bezeichnete.

"Akten werden versteckt"

Krisper nahm's gelassen und erklärte, man vermisse beispielsweise Unterlagen der "Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität" (EGS) zur umstrittenen Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Dass es keine Aufzeichnungen dazu gibt, kann sie sich nicht vorstellen, hätten Polizisten doch massive Dokumentationspflichten. Die NEOS-Mandatarin will vom Innenminister deshalb nun in einer parlamentarischen Anfrage wissen, welche Dokumentationspflichten bestehen, und ob sie im konkreten Fall eingehalten wurden. "Die EGS-Akten werden im Innenministerium vor uns versteckt", ist sich Listengründer Peter Pilz sicher, der einen "freiheitlichen Amtsmissbrauch" ortete.

BVT-U-Ausschuss: Opposition geht wegen fehlender Akten zum VfGH

Bei der Verfassungsklage besteht die Schwierigkeit für die Opposition eben auch darin, dass der VfGH nicht selbst ermittelt, welche Akten es im Innenministerium gibt. Vielmehr müssen die Abgeordneten in ihrer Beschwerde nachweisen, welche konkreten Unterlagen dem Parlament vorenthalten wurden. Laut Opposition geht es dabei etwa um einen Sammelakt aus dem Kabinett zum BVT, von dem man nicht alle fortlaufenden Nummern habe. Außerdem hätte man gerne ein konkretes Schreiben, von dem das Innenministerium behaupte, man müsse es nicht ans Parlament liefern.

Geheime Befragung?

Pilz verwies zudem auf ein zusätzliches Problem für den U-Ausschuss, das nun aufgetaucht sei: Der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl bestehe - wohl auf Weisung aus dem Ministerium, wie er vermutet - in einem Schreiben darauf, dass die Befragungen der EGS-Beamten wegen der möglichen Schädigung von Staatsinteressen nur "geheim" durchgeführt würden. In der Geschichte der Untersuchungsausschüsse habe es noch keine einzige geheime Befragung gegeben, wunderte sich Pilz. Dies würde nicht nur den Ausschluss der Medien bedeuten - eine geheime Befragung müsste wohl in einem abhörsicheren Raum mit streng beschränktem Zugang stattfinden.

Staatsgeheimnisse?

"Wenn Österreich eine Nuklearmacht wäre, und wir würden dort über die Nuklearcodes reden, dann wäre das eine geeignete Sicherheitsvorkehrung", kann sich Krainer nur wenige Gelegenheiten für solch einen Aufwand vorstellen.

Auch Pilz versteht das Argument bezüglich der EGS-Beamten nicht: "Die kennen keine Staatsgeheimnisse, die kennen überhaupt nix", man wolle lediglich Informationen über den Ablauf der Hausdurchsuchungen. "Der Innenminister hat offensichtlich Angst, dass Sie (die Journalisten, Anm.) zuhören können, wenn wir die EGS-Beamten befragen - und ich gehe davon aus, dass er diese Angst zurecht hat", schlussfolgerte Pilz. Er lasse nun prüfen, ob es sich bei diesem "Akt der Sabotage" um Amtsmissbrauch handeln könnte.

Die Landespolizeidirektion Wien hat am Dienstag bestätigt, dass sie eine geheime Befragung jener Polizisten wünscht, die im BVT-U-Ausschuss aussagen sollen. Es könne "nicht ausgeschlossen werden, dass entsprechende, der Geheimhaltung unterliegende Sachbereiche zu staatspolizeilichen Themen angesprochen werden", wurde in einer Aussendung argumentiert. Das Parlament selbst habe in einem Schreiben, mit dem über die Ladung der Beamten informiert wurde, auf diese Möglichkeit hingewiesen.

Rechtlich hat man hier wenig Handhabe: Der U-Ausschuss kann die Beamten zwar in eine medienöffentliche Sitzung laden, Pilz befürchtet aber, dass sich die Zeugen dann auf die Amtsverschwiegenheit berufen. "Wir müssen das öffentlich ausstreiten mit dem Innenminister."

Dass die Befragungen im Untersuchungsausschuss wegen der Stolpersteine später starten, schlossen die Oppositionsabgeordneten aus. Sollte sich im Laufe des Ausschusses Neues ergeben, könne man die Auskunftspersonen ja noch einmal laden.