Bisher gab es keine Aberkennung eines verliehenen Ehrenzeichens der Republik Österreich. Das auf einem Gesetz basierende Statut dieser Auszeichnung sieht dies auch gar nicht vor. Das könnte in diesem Jahr noch geändert werden. Anlassfall ist der „Fall Globke“, den die Kleine Zeitung im Zuge des Gedenkjahres „100 Jahre Republik Österreich“ aufrollte. Der Verwaltungsjurist Hans Globke avancierte nach dem Zweiten Weltkrieg zum engsten Mitarbeiter des damaligen deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer, wurde schließlich Chef des Kanzleramtes im Rang eines Staatssekretärs. Ein absolut treuer Diener seines Herrn.

Globke diente den Nationalsozialisten

Globke diente allerdings zuvor schon anderen Herren übereifrig, den Nationalsozialisten. Als Jurist im Reichsinnenministerium konzipierte er 1933 das Ermächtigungsgesetz, mit dem Adolf Hitler die Demokratie ausschaltete. In den Jahren darauf arbeitete Globke maßgeblich an den Rassengesetzen mit, die jüdische Bürger entrechteten und praktisch den rechtlichen Weg in die Konzentrationslager ebneten. Zusätzlich glänzte der Nazi-Kronjurist als Mitautor des Kommentars zu den Nürnberger Rassengesetzen. Nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes stellte sich Globke als Widerstandskämpfer dar, der eigentlich Juden nur hatte helfen wollen. „Eine Mär“, wie das Fritz-Bauer-Archiv in Frankfurt - benannt nach dem einstigen Generalstaatsanwalt, der die Auschwitz-Prozesse in den 60er-Jahren durchgesetzt hatte - festhält. Der neue deutsche Kanzler Konrad Adenauer nahm Globke in seine Dienste, trotz massiver Proteste. „Lasst doch den lieben Herrn Globke in Ruhe“, pflegte Adenauer zu sagen.

Bei seinem Staatsbesuch in Bonn im Herbst 1956 bedankte sich der österreichische Bundeskanzler Julius Raab bei seinen Gastgebern mit der Verleihung von Orden. Unter den Ausgezeichneten: Adenauers Kanzleramtschef Globke, der mit dem zweithöchsten Orden, den Österreich zu vergeben hat, geehrt wurde - mit dem „Großen goldenen Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich“. Den in der gleichen Kategorie auch Adenauer selbst erhielt. „Die Liste der auszuzeichnenden Funktionsträger wurde von der deutschen Seite erstellt und Österreich entsprach diesem Vorschlag offensichtlich ohne nähere Prüfung“, erklärt dazu die Präsidentschaftskanzlei.

Trotz neu aufgetauchter Vorwürfe, er habe die Rettung von 20.000 Juden aus Saloniki verhindert, behält der 1973 verstorbene Globke seinen Platz in der Liste der von Österreich Höchstausgezeichneten. Das könnte sich ändern. Denn auf die Berichterstattung der Kleinen Zeitung hin ersuchte der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer Bundeskanzler Sebastian Kurz schriftlich, „im Interesse des Landes“ eine posthume Aberkennung des Ordens prüfen zu lassen. Es müsse eine gesetzliche Möglichkeit geschaffen werden, um in diesem Fall ein Zeichen zu setzen, argumentiert der steirische Landeschef.

Auszeichnung aberkennen

Dafür plädieren auch die Neos, die im Parlament ebenfalls eine Anfrage an den Bundeskanzler stellten, ob es Bestrebungen gebe, Globke die Auszeichnung abzuerkennen. Regierungschef Kurz antwortete mittlerweile, es würde in Abstimmung mit der Präsidentschaftskanzlei geprüft.

Vorige Woche wandten sich prominente Zeithistoriker aus Graz, Klagenfurt, Wien, Salzburg und Linz unter der Federführung des international renommierten Historikers Helmut Konrad per Petition an Bundespräsident und Bundesregierung. „Die unterfertigten Zeithistorikerinnen und Zeithistoriker sowie die Leiter aller Zentren für Jüdische Studien, die gemeinsam die institutionalisierte und auch die freie Wissenschaftslandschaft im Fach repräsentieren, ersuchen die Repräsentanten der Republik Österreich mit allem Nachdruck, Herrn Hans Globke die 1956 verliehene Anerkennung abzuerkennen.“

Die Antwort aus der Hofburg ergeht dieser Tage, wie auf Nachfrage zu erfahren war. Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der sich für die Initiative der Zeithistoriker bedankt, äußert sich zum „Fall Globke“ gegenüber der Kleinen Zeitung eindeutig: „Selbstverständlich hätte es 1956 niemals zu einer Ordensverleihung an Hans Globke kommen dürfen. Ich halte es daher für richtig und notwendig, dass es zu einer Aberkennung dieses Ordens kommt. Es müsste also das Ehrenzeichengesetz novelliert werden. Eine Änderung der gesetzlichen Rechtslage kann nur vom Nationalrat beschlossen werden. Ich bin zuversichtlich, dass der Nationalrat offen dafür ist.“ Der Bundespräsident betont, er würde eine Lösung begrüßen, die sicherstellt, dass über den Einzelfall hinaus in allen derartigen Fällen einheitliche, gerechte und objektive Maßstäbe für die Aberkennung von Ehrzeichen zur Anwendung kommen.

Damit sind jetzt die Parteien und der Nationalrat am Zug. Anfang November gedenkt Österreich des 80. Jahrestages der „Reichspogromnacht“, als das Nazi-Regime Synagogen abfackelte, Gewaltexzesse gegen jüdische Bürger entfachte und Tausende in die Konzentrationslager pferchte. Die Rechtlosigkeit dieser Menschen schufen Gesetze, die in vielen Fällen aus der Feder des Kronjuristen des Nazi-Regimes stammten, Hans Globke. „Der November wäre ein geeigneter Termin, um diesem Doktor Globke die österreichische Auszeichnung posthum abzuerkennen“, sagt Universitätsprofessor Helmut Konrad, der jetzt darauf hofft, dass der Nationalrat tätig wird.