Der ehemalige Spionagechef des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hat Personendaten, die auch aus nicht gerechtfertigten Abfragen stammen könnten, privat gehortet. Laut Ermittlungsakt beinhaltet die bei der Hausdurchsuchung im BVT sichergestellte Liste auch Kontakte zu prominenten ÖVP-Politikern und Anwälten sowie Richtern in der Causa "Alijew".

Aus welchem Grund der mittlerweile entlassene Chef der Abteilung Nachrichtendienste die Listen angelegt hat, ist nicht klar. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt jedenfalls wegen Amtsmissbrauchs. Der Verdacht: Dateien auf der im Februar sichergestellten Festplatte dürften auch Auszüge aus sensiblen Datenbanken, wie etwa der Wählerevidenz, beinhalten. Teils sei das gesamte private Umfeld einer Person abgefragt worden.

Hochrangige Politiker auf der Liste

In die sichergestellten Listen mit mutmaßlich illegalen Abfrageergebnissen mischen sich laut Ermittlungsakt auch Kontakte zu ehemaligen ÖVP-Regierungsmitgliedern, darunter Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Der Anwalt des BVT-Mitarbeiters argumentierte im Ö1-"Mittagsjournal", es handle sich wohl um ein privates Adressbuch. Der Mann sei vor seinem Eintritt ins BVT immerhin in der Jungen Volkspartei (JVP) sowie im Parlament aktiv gewesen und habe aus dieser Zeit noch einige Freunde.

Auch Namen von Richtern und Staatsanwälten, die in die gerichtliche Aufarbeitung der Causa "Alijew" involviert waren, tauchen auf den gespeicherten Listen auf. Wegen des Verdachts auf Verwicklung in einen Doppelmord in seinem Heimatland saß der ehemalige kasachische Botschafter in der Justizanstalt Wien Josefstadt, wo er 2015 Selbstmord beging. Der Wiener Anwalt Gabriel Lansky vertrat in dem Verfahren die Hinterbliebenen der mutmaßlichen Mordopfer. Wegen des Verdachts der nachrichtendienstlichen Tätigkeit für das kasachische Regime geriet er damals allerdings auch in den Fokus der Aufmerksamkeit des BVT - das Verfahren gegen ihn wurde mittlerweile rechtskräftig eingestellt.

"Bundesbruder"

Der Ermittlungsakt beinhaltet auch einen Brief des ehemaligen Spionagechefs an die private Adresse des ehemaligen Generaldirektors für öffentliche Sicherheit, Herbert Anderl. Darin stellte sich der BVT-Mitarbeiter im Februar 2009 als "Bundesbruder" im katholischen Cartellverband vor. In seinem Schreiben bietet er "Vernetzungsarbeit" an und betont, "jederzeit für authentische Informationen abseits der formellen Kanäle" zur Verfügung zu stehen.

NEOS-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper meinte nach dem Auftauchen des Akts, man werde sich die "schwarzen Netzwerke" im laufenden BVT-Untersuchungsausschuss genau ansehen. Angriffe gab es aber auch gegen den freiheitlichen Innenminister, was die Freiheitlichen abblockten. Der Versuch, einen von Herbert Kickl verursachten Skandal zu konstruieren, sei eine "kreative Meisterleistung", meinte FPÖ-Fraktionsvorsitzender im Ausschuss, Hans-Jörg Jenewein.