Hält die Koalition oder hält sie nicht? Eine Antwort auf diese Frage wird es wohl frühestens am Nachmittag geben. Bis dahin wird im Kanzleramt noch einmal eine Sechser-Runde um Kanzler Christian Kern (SPÖ), Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), die Regierungskoordinatoren Harald Mahrer (ÖVP) und Thomas Drozda (SPÖ), sowie SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder und Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) nacheinander auf jeweils zwei Spiegelminister treffen, um Maßnahmen im Detail zu besprechen.

Eigentlich wollte man die Ministergespräche in der Nacht fertig haben, kurz nach ein Uhr früh verschob man den Poker allerdings auf heute, Freitag. Am Abend wird also entweder der Neustart mit einer Fülle an Maßnahmen für ein neues Regierungsprogramm verkündet - oder die Koalition platzt. Und während die ÖVP seit gestern versucht, die Neuwahlgefahr kleinzureden, äußert Kern immer noch seine Skepsis: "Wir sind noch lange nicht fertig, viele Punkte sind offen", sagte er. Aus SPÖ-Kreisen heißt es immer wieder, dass Neuwahlen "längst nicht vom Tisch" seien. Ob die Koalition hält, so auch Kern, werde man nach den Verhandlungen sehen. Doch worüber wird eigentlich noch gestritten? Ein Überblick.

Sicherheit

Hier scheint es einige Schnittmengen zu geben. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) hat bereits seine Zustimmung für die Fußfessel für Gefährder geäußert. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) soll dafür der Überwachung von Zügen an der Grenze durch Soldaten zustimmen. Auch die Videoüberwachung soll ausgeweitet werden. Offen ist allerdings ein großer Brocken, nämlich die Asyl-Obergrenze. Zwar ist die SPÖ mit einer Reduzierung der Flüchtlingszahlen einverstanden - mit einer von der ÖVP geforderten Halbierung kann man bei den Roten allerdings nichts anfangen. "Wir brauchen Maßnahmen, die mehr Sicherheit bringen, Maßnahmen, die dazu führen, dass wir die Zahl der Flüchtlinge, die nach Österreich kommen, reduzieren, und zwar deutlich reduzieren. Insofern muss der Innenminister hier auch einen Beitrag leisten und die Maßnahmen liefern, wie das gehen soll. Und das ist die wirklich offene Frage", sagte Kern nach den Gesprächen. Die von ihm angesprochene Frage ist also weiter offen.

Regierung nahm Gespräche wieder auf: Zeitplan noch offen

Bildung

Auch hier herrscht in den Grundzügen Konsens - hat man sich schließlich vor nicht allzu langer Zeit auf eine Bildungsreform geeinigt. Die soll nun umgesetzt werden, mitsamt Schulautonomie. Die Verhandlungen starteten heute bereits um zehn Uhr. Einig ist man sich im Vorfeld auch bei der Digitaliserung in der Schule - nicht aber, wie diese finanziert werden soll. Auch im weitesten Sinn zum Thema Bildung zählt die Studienplatzfinanzierung. Kern stimmte dieser alten ÖVP-Idee in seinem "Plan A" ja zu. Auch die von der ÖVP geforderten Zugangsbeschränkungen rückten zuletzt in greifbare Nähe. Freilich müsste die SPÖ hierbei über ihren Schatten springen.

Wirtschaft und Arbeit

Hier haben wir es mit Beton zu tun. Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) und Finanzminister Schelling schnapsen sich die Themen Arbeitszeitflexibilisierung, Abschaffung der kalten Progression, Lohnnebenkostensenkung und Steuern aus. Die SPÖ ist der ÖVP in Sachen flexiblere Arbeitszeiten ein gutes Stück entgegengekommen.  Im Gegenzug könnte es die von Schelling bereits vorgeschlagene Senkung von Sozialversicherungsbeiträgen für niederige Einkommen geben. Bei der Abgeltung der kalten Progression um die jähriche Inflation soll man sich noch nicht geeinigt haben. Die SPÖ wünscht sich indes eine Beschäftigungsgarantie für Ältere und einen gesetzlichen Mindestlohn - beides hält die ÖVP für nicht finanzierbar und lehnt ab. Und ein Thema ist natürlich auch noch offen: Die von der SPÖ geforderten neuen Steuern auf beispielsweise Erbschaften oder Schenkungen. Zündstoff verspricht auch das Thema Pensionen, sofern Schelling es anspricht.

Wahlrecht

Zum Schluss sind heute die Klubobleute der beiden Parteien dran. Schieder und Reinhold Lopatka (ÖVP) werden unter anderem über das von der SPÖ geforderte Mehrheitswahlrecht diskutieren. Eine Einigung wäre eine große Überraschung.