Große Teile des Regierungsprogramms Justiz sind schon erledigt. Aber Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) wird auch 2016 "nicht fad" - will er doch sein "Herzensanliegen" Strafvollzugsreform vollenden, das Sachwalterrecht reformieren und sich u.a. auch dem Thema Sammelklage widmen. Geradezu begeistert zeigte er sich im APA-Interview von dem "jetzt ganz transparenten" Weisungsrecht.

"Schöner Kompromiss" beim Weisungsrecht

Da sei ein "sehr schöner Kompromiss gelungen, ich bin wirklich zufrieden", sagt Brandstetter, der zu Beginn seiner Amtstätigkeit gerne auf das Weisungsrecht gegenüber den Staatsanwälten verzichtet hätte. Dies sei aber im bestehenden verfassungsrechtlichen Rahmen nicht möglich, also habe man mit Experten "die bestmögliche Variante" gefunden. Jetzt werde jede Weisung vom unabhängigen Weisungsrat objektiv überprüft und jeder Schritt in Fällen öffentlichen Interesses nachvollziehbar. Der nun gesetzlich verankerte Rat kann seine Entscheidungen nach eigenem Gutdünken veröffentlichen.

Mehr Transparenz hielte Brandstetter auch in Personalsachen für sinnvoll. Mit Richter-Präsidenten Werner Zinkl - der im Herbst seine Postenbesetzungspraxis kritisierte - ist er im Gespräch über ein Modell dafür. Brandstetters Wunsch wäre, von Personalsenaten eine Begründung zu erhalten, wenn er eine Reihung nicht nachvollziehen kann. Verblüfft zeigte er sich über Kritik, er bevorzuge CV-Mitglieder. Das sei "völlig absurd", sei doch bemängelt worden, dass er - um das Gleichbehandlungsgesetz einzuhalten - nicht erstgereihte Frauen ernannt habe.

Neue Regeln im Vollzug

In seinen ersten zwei Jahren hat der Justizminister einiges weitergebracht: 25 Gesetze wurden geändert, darunter heuer große Brocken wie Weisungsrechts-, Strafrechts- oder Erbrechtsreform, Senkung von Gerichtsgebühren, Bezirksgerichts-Strukturreform in Salzburg und der Start der Strafvollzugsreform. Deren Fort- und Umsetzung wird auch 2016 prägen. Demnächst gibt Brandstetter eine Neuregelung zum Maßnahmenvollzug in Begutachtung, gemeinsam mit der Bundesimmobiliengesellschaft nimmt er eine "Standortoptimierung" vor. Ziel ist, die im Regierungsprogramm angekündigte neue Justizanstalt im Großraum Wien zu errichten. Vielleicht werden Standorte geschlossen, Brandstetter will sich dabei auf die Experten auch von der BIG verlassen.

Besonders wichtig ist ihm mehr "Arbeit" für Häftlinge: "Es gibt keine Erweiterung von Haftkapazitäten mehr ohne Erweiterung der Beschäftigungs- oder Ausbildungsmöglichkeit." Abgesehen von den schon geplanten Aufstockungen (in Eisenstadt, Wien-Simmering und Hirtenberg) sieht er keinen großen Bedarf an weiteren Haftplätzen. Mit rund 600 in U- oder Strafhaft genommenen Schleppern und damit in Summe mehr als 9.000 Häftlingen insgesamt sei man zwar an die Obergrenzen gestoßen, aber "der Höhepunkt ist, glaube ich, überschritten". Die Auswirkungen der Strafrechtsreform auf die Haftzahlen lassen sich derzeit noch nicht abschätzen. Ab 1. Jänner werden Gewaltverbrechen deutlich strenger geahndet, während bei Vermögensdelikten wie schwerem Betrug oder Untreue erst bei höherem Schaden mit voller Härte vorgegangen wird. Brandstetter steht hundertprozentig zu dieser "rechtspolitischen Neuorientierung" - auch wenn den Anstoß dazu seine Vorgängerin Beatrix Karl gab: "Es muss ein Unterschied sein, ob jemand durch eine Körperverletzung so geschädigt wird, dass es mit Geld nicht mehr gutmachen ist, oder ob es um ein Vermögensdelikt geht, das man mit Schadenersatz bereinigt."

Kritik wegen Vergangenheit

Kritik aus Justizkreisen, er betreibe mit der milderen Ahndung von Wirtschaftsdelikten Klientelepolitik - Brandstetter war Strafverteidiger in großen Wirtschaftsfällen - weist der Minister zurück. Die Reform sei von unabhängigen Experten erarbeitet, die neue Untreue-Regelung im Parlament ausverhandelt worden. Im Bilanzstrafrecht sei z.B. genau definiert worden, was tatsächlich strafwürdiges Verhalten ist, aber gleichzeitig würden die Strafen verschärft. Zudem sei sichergestellt, dass die höhere Wertgrenze nicht zur Verjährung alter Verfahren führt.

In Sachen Vorratsdatenspeicherung wartet Brandstetter auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Klage von Tele2 gegen die schwedische Regelung, die trotz Aufhebung der EU-Datenrichtlinie die Speicherung gewisser Benutzerdaten verlangt. "Persönlich" hält er eine gewisse Möglichkeit der Datenspeicherung zur Bekämpfung von Schwerstkriminalität nach wie vor für sinnvoll. Aber ehe man diesbezügliche Überlegungen - auch auf EU-Ebene - anstellt, müsse man abwarten was der EuGH vorgibt.