Mitterlehner betonte nach der Ministerratssitzung am Dienstag, er kenne das Papier des Innenministeriums zur Sicherung der Grenze bereits: "Ich habe das am Freitag gesehen." Verwundert gab er sich darüber, dass am Wochenende das Papier in "mehreren Varianten" in Zeitungen gestanden sei, dies habe er "dem Herrn Kanzler" auch vermittelt, sagte er, ohne ihm direkt das Weiterspielen an die Medien vorzuwerfen.

Faymann hingegen betonte, er kenne das Papier noch nicht: Das Konzept sei von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner "bis zur Stunde nicht vorgelegt" worden - eine Aussage, über die sich Mitterlehner unverhohlen ärgerte: "Es kann nicht sein, dass man der Innenministerin vorwirft, sie hat noch nichts vorgelegt."

Bei allem Ärger wollte er seinem Gegenüber die Unkenntnis des Papiers nicht absprechen: "Die Tatsache, dass das der Herr Bundeskanzler offensichtlich noch nicht gesehen hat, möchte ich nicht bezweifeln. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es die Pläne gibt, dass ich sie persönlich gesehen habe, dass sie offensichtlich aus verschiedenen Gründen erst morgen auf offizieller Ebene mit dem Koalitionspartner diskutiert werden. Wenn sie so wollen, wenn es sie befriedigt, wir haben zwei Wahrheiten, die sich an sich nicht entgegenstehen."

Ausgeräumt werden sollen die Differenzen bei einem Gespräch am Mittwoch. Teilnehmen daran sollen neben Mikl-Leitner auch Staatssekretär Harald Mahrer, Außenminister Sebastian Kurz (beide ÖVP) sowie Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ), sagte Faymann. "Die werden darüber beraten, wie kann diese Kontrolle an unseren Grenzen mit baulichen und anderen organisatorischen Maßnahmen verstärkt werden." Am Mittwoch soll auch bereits eine Entscheidung über das Konzept fallen.

Auch kündigte Faymann für heuer noch zwei "Koordinationstreffen" zum weiteren Umgang mit dem Flüchtlingsthema an: So soll einerseits mit den Sozialpartnern Fragen der Integration, der Arbeitswelt, des Wohnraums und der wirtschaftlichen Bedeutung geklärt werden. Andererseits will sich die Regierung auch mit den Landeshauptleuten zusammensetzen, um u.a. Vorschläge zur Integration zu besprechen. Es gelte, auch bereits Maßnahmen für das kommende Jahr vorzubereiten, sagte der Kanzler.

Faymann betonte, die bauliche Maßnahme solle jedenfalls keine Abschottung bringen. Es gehe darum, die Ankommenden bestmöglich zu kontrollieren, nicht aber einen Zaun rund um Österreich zu errichten. Auch Mitterlehner sagte, dass es schon aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei, eine "vollkommene Abschottung zu bewerkstelligen", man wolle das auch nicht. Es gehe aber um Kontrolle und darum, an den Grenzen für einen geordneten und menschlichen Ablauf zu sorgen. Außerdem geht es dem ÖVP-Chef auch darum, ein Signal an andere EU-Staaten zu setzen, dass es so wie derzeit nicht weitergehen könne.

Faymann verwies auch darauf, dass Slowenien am Nachmittag eine "Reihe von Maßnahmen" bekannt geben werde, die der EU-Staat an seiner Grenze setzen werde. Die Grenze Sloweniens sei allerdings - im Gegensatz zu Österreichs Grenzen - eine Schengen-Außengrenze, betonte der Kanzler, was ein anderes Vorgehen ermögliche.

Prinzipiell sprach sich Faymann dafür aus, die EU-Außengrenzen zu schützen, wobei er hier vor allem für einen Schutz der Grenzen Italiens und Griechenlands plädierte. Denn alle anderen Maßnahmen würden lediglich dazu führen, dass es zu Verlagerungen der Flüchtlingsströme kommt, nicht aber dazu, dass insgesamt weniger Personen in die EU kommen. Daher gelte es, rasch Maßnahmen zu setzen, um mit der Türkei über eine gemeinsame Sicherung der Grenzen einig zu werden. Es gelte, mitzuhelfen, dass die Menschen vor Ort leben können, sich für friedensvermittelnde Maßnahme einzusetzen und an den EU-Außengrenzen entsprechende Verteilerzentren zu errichten.

Ähnlich argumentierte Mitterlehner: "Wenn man (den Flüchtlingen, Anm.) nicht signalisiert, dass sich ihre Lebensbedingungen vor Ort verbessern werden, dann wird nur wahrgenommen, was man von Europa aus signalisiert - eine generelle Einladung." Und dies führe dazu, dass nicht nur Österreich, sondern auch die Balkanstaaten vor organisatorische Probleme gestellt werden, "die nicht zu bewerkstelligen sind". Deswegen sei es notwendig, zu signalisieren, dass es so nicht mehr weitergehe. Und die Maßnahmen, die Slowenien plane, sei genau ein solches Zeichen.

Mitterlehner sprach sich auch ganz klar dafür aus, den Flüchtlingszustrom zu reduzieren: "Ich sage ganz deutlich: Wir müssen weniger haben, alles andere wird uns vor schwerste Probleme stellen." Faymann sagte dazu, sein Ziel sei es, "dass weniger nach Europa kommen und mehr in der Region bleiben können - und das am Besten in Syrien ohne Krieg".

Die Grünen wollen als bauliche Maßnahmen für Flüchtlinge lieber Räume statt Zäune. "Die Situation in Spielfeld braucht verbesserte Infrastruktur und Unterstützung vor Ort", sagte Parteichefin Eva Glawischnig. Im Winter seien Warte- und Aufenthaltsräume notwendig. Glawischnig versteht zudem nicht, warum es nicht mehr Unterstützung durch das Bundesheer gebe.

Wie auch immer der Zaun heißen oder aussehen möge, er werde sicherlich ein Flop, ist Team Stronach-Klubobmann Robert Lugar überzeugt. Er hält strenge Kontrollen, Registrierungen und Rückschiebungen für geboten, wenn kein Asylgrund vorliegt. Das wäre "das Signal, dass drei Viertel derer, die kommen, nicht bleiben können".