Über weitere Protestmaßnahmen werde die zuständige Kurie beraten. Proteste bis hin zu Ärztestreiks hält Wechselberger grundsätzlich für "legitim". Gegen E-Card-Missbrauch ist ab 1. Jänner eine Ausweispflicht in Spitalsambulanzen und bei niedergelassenen Ärzten für ihnen nicht bekannte Patienten vorgesehen, und zur Überprüfung ärztlicher Leistungsverrechnungen werden Test-Patienten der Krankenkassen als sogenannte Mystery Shopper in die Praxen geschickt. Für Wechselberger werden damit nicht nur die Ärzte, sondern die gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht gestellt und das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gestört.

Der Ärztekammer-Präsident kündigte an, man werde die Bevölkerung darüber informieren, dass der Staat die Patienten beim Arzt zur Ausweisleistung auffordere - und das in einem Land, in dem es keine Verpflichtung gebe, einen Ausweis mit sich zu führen. Man werde die Patienten auch darauf aufmerksam machen, dass sie, wenn kein Notfall vorliegt, nicht behandelt und zurückgeschickt werden könnten, um einen Ausweis zu bringen. Mögliche weitere Protestmaßnahmen lägen in der Autonomie der zuständigen Kurie, sagte der Ärztekammer-Präsident. Diese werde "eingehend darüber diskutieren und möglicherweise Maßnahmen vorschlagen".

Protestmaßnahmen bis hin zu Streiks sind für Wechselberger auch für Ärzte zulässig. "Es ist legitim, dass Arbeitnehmer zur Durchsetzung ihrer Interessen demokratische Möglichkeiten androhen oder nutzen. Warum sollte die angestellte Ärzteschaft davon ausgenommen sein?" Der Ärztekammer-Präsident geht davon aus, "dass Ärzten als Dienstnehmern dieselben legitimen Mittel zur Verfügung stehen wie allen anderen Dienstnehmern auch".

Im Streit um die neuen Arbeitszeitregelungen für Spitalärzte haben die Streikdrohungen jedenfalls zur Durchsetzung ihrer Forderungen beigetragen. Wechselberger geht davon aus, dass der Prozess jetzt einmal so aufgesetzt ist, dass man in Ruhe arbeiten könne. Er verweist aber darauf, dass es sich in einigen Bundesländern nur um Übergangslösungen handle und man sicherlich noch "nachjustieren" werde müssen. Ob die gefundenen Lösungen erfolgreich sein werden, werde man erst rückwirkend beurteilen können, dazu sei es jetzt noch zu früh. Den Vorwurf, dass die Spitalsärzte jetzt mehr Geld für weniger Arbeit bekommen würden, lässt der Kammer-Präsident jedenfalls nicht gelten. Seiner Einschätzung nach werde für das gleiche Arbeitspensum in "verdichteter Zeit" jetzt "marktgerechter" gezahlt.

"Nichts" hält Wechselberger von dem vom Gesundheitsministerium geplanten "Primary Health Care"-Gesetz für die neue Primärversorgung. Ihm ist der Sinn nicht klar, was geregelt werden soll, das nicht ohnehin schon im ASVG geregelt ist. Der Präsident hat die Befürchtung, dass die Ärztekammer "ausgebootet" werden soll. Er befürchtet, dass entweder der Gesamtvertrag auf verschiedene Fachgruppen aufgespalten oder man überhaupt von einem Gesamtvertrag abgehen will und die Ärztekammer in die Gestaltung des Vertrages nicht mehr eingebunden wäre. Einzelverträge mit den Ärzten könnte die Kammer als Interessensvertretung aber "nicht hinnehmen", betonte Wechselberger.

Inhaltlich hält Wechselberger die geplante Vernetzung von Ärzten untereinander und mit anderen Partnern wie Spitälern, Physio- und Psychotherapeuten, Sozialarbeitern und Krankenpflegern im Zuge der Primärversorgung für überfällig und für ein Versäumnis, dass dies bisher nicht gefördert wurde. Er fordert aber attraktive, moderne Zusammenarbeitsformen wie Praxisgemeinschaften und Gruppenpraxen, in denen Ärzte auch andere Ärzte anstellen können. Die geplanten Versorgungszentren gehen für Wechselberger aber am Problem vorbei. Seiner Meinung nach sollte die Ärzte nach den jeweiligen regionalen Gegebenheiten selbst entscheiden können, welche Versorgungsform die beste ist. Im Mittelpunkt der Primärversorgung sollte jedenfalls der Hausarzt stehen, der eingebettet in einem Team mit anderen Gesundheitsanbietern erster Ansprechpartner in allen Gesundheitsfragen sein soll.

Bei der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA), die im Dezember in ersten Spitälern in Wien und der Steiermark starten soll, sind für Wechselberger immer noch "viele Fragen offen, die nicht geklärt sind". So sei die Bedienerfreundlichkeit für die Ärzte immer noch ein großes Fragezeichen, und es gebe noch immer kein Vorblatt, auf dem man alle gesundheitlichen Problemstellungen des Patienten auf einen Blick erkennen kann. Für Wechselberger beginnen Ende des Jahres jene Spitäler, "wo es halt geht und die anderen wann es geht." Er erwartete, dass diese Toleranz, die man jetzt den öffentlichen Spitalsträgern entgegen bringt, dann auch den niedergelassenen Ärzten eingeräumt werde. Man dürfe dann, wenn es 2017 bei den niedergelassenen Ärzten losgehe, nicht davon ausgehen, dass dort dann "auf einen Tag bei allen alles funktioniert".