Im Grunde war ja schon seine Bestellung symptomatisch gewesen. Der designierte ÖVP-Chef und Vizekanzler Michael Spindelegger übernahm im November 2008 nur deshalb das Außenamt, weil seine Vorgängerin Ursula Plassnik nicht mehr zur Verfügung stand. In der Anfangsphase wurde ihm auch mangelndes Interesse für Außenpolitik vorgeworfen. Große Analysen der Zusammenhänge und Hintergründe in der internationalen Politik sind tatsächlich nicht sein Markenzeichen. Spindelegger gibt nicht den charismatischen Intellektuellen, der dem Volk die Welt erklärt. Mit Ehrgeiz, Zielstrebigkeit ist es ihm aber gelungen, außenpolitisches Profil zu gewinnen.

Die "Vollblut-Außenpolitikerin" Plassnik hatte den Kompromiss von ÖVP und SPÖ im Koalitionsabkommen bezüglich Volksabstimmungen zu EU-Fragen nicht mittragen wollen. Der Pragmatiker Spindelegger nahm das nicht so tragisch. Auf die Frage, warum der Kompromiss im Gegensatz zu seiner Parteikollegin für ihn akzeptabel sei, meinte Spindelegger: "Entscheidend ist, dass Österreich in der Europäischen Union weiter ein Partner ist, der versucht, die EU nach vorne zu bringen."

Typisch für den Neuen?

Dieser Themen-Zugang ist wohl typisch für den neuen ÖVP-Zampano. Er mag vielleicht nicht sein ganzes Herzblut für die Außenpolitik vergießen, aber dank seiner Disziplin und dem konsequenten Durchziehen einmal gefasster Vorhaben, erarbeitet er sich auch auf dem internationalen Parkett eine Gewicht, das ihm zu Beginn viele absprechen wollten.

Als nicht-ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat (2008 bis 2010) engagierte sich Österreich unter Spindeleggers Federführung ausdauernd im Sudan-Konflikt. Nicht zuletzt dank einer in Wien organisierten Sudan-Konferenz mit führenden Playern gelang es Österreich als Vermittler in der Krise akzeptiert zu werden. Und Spindelegger wäre nicht Spindelegger, hätte er das Engagement nicht auch Anfang Dezember 2010 mit einer "Fact-Finding-Mission" in der Krisenregion untermauert.

Österreich kein kleiner Flecken

Spindelegger verstand es auch, das Gastspiel im höchsten UNO-Gremium zu nutzen, um den USA in Erinnerung zu rufen, dass es in Europa auch einen kleine Flecken namens "Austria" gibt, der ein bisschen in der internationalen Diplomatie mitmischen will. Es dürfte wohl der Höhepunkt seines bisherigen Amtszeit als Außenminister gewesen sein, als er Mitte November 2010 im State Department von US-Kollegin Hillary Clinton empfangen wurde. Clinton lobte besonders Österreichs Rolle am Balkan, in Krisenzonen wie dem Kosovo und Bosnien-Herzegowina.

Selbst unterschiedliche Ansichten bezüglich des Rechts der Türkei auf eine EU-Mitgliedschaft wurden mit höflicher Eleganz auf Sparflamme gehalten. Der Umgang mit der Türkei-Frage wirft auch ein bezeichnenden Licht auf die diplomatischen Fähigkeiten des Außenministers. Während die Beliebtheitswerte Plassniks wegen ihrer dezidiert kritischen Haltung zu einem türkischen EU-Beitritt in Ankara und am Bosporus im Keller sind und auch ihre Chancen bei der Bewerbung für den Job einer OSZE-Generalsekretärin beeinträchtigen, absolvierte Spindelegger im Oktober 2010 einen Besuch in der Türkei, der von beiden Seiten als "äußerst herzlich" bewertet wurde.

Pragmatiker

Spindelegger gab sich verständnisvoll, stellte Emotionen hintan und kehrte wieder den Pragmatiker hervor: Er wolle die Türkei "nicht provozieren", sondern dem Gegenüber zuhören. Auf diese Art durfte er auch ungestraft anmerken, dass in einem längeren Nachdenk- und Verhandlungsprozess wohl auch andere Varianten als ein EU-Vollbeitritt der Türkei erwogen werden sollten.

Je mehr Spindelegger im Außenministerium heimisch wurde, desto augenscheinlicher wurden auch die eigenen Schwerpunkte. Österreich bewirbt sich um einen Sitz im UNO-Menschenrechtsrat und forciert daher das Thema "Human Rights". Manche Initiativen werden aber selbst von Menschenrechtsexperten kritisch beäugt.

Gleichheit für alle?

Als sich Spindelegger bei seiner jüngsten Ägypten-Reise demonstrativ für die Minderheit der koptischen Christen einsetzte, erklärte sogar ein Vertreter der NGO "Egyptian Initiative for Personal Rights", für internationale Gäste wäre es wohl besser, ganz allgemein das konstitutionelle Recht auf Gleichheit in der Gesellschaft einzufordern, als explizit für eine Gruppe wie die Kopten Partei zu ergreifen.

Doch scheut sich Spindelegger offenbar nicht mehr, sich auch ein bisschen aus dem Fenster zu lehnen. Mitte März wurde er bei einem informellen Außenminister-Treffen in Gödöllö auch von internationalen Medien zitiert, für die der österreichische Ressortleiter normalerweise nicht die primäre Quelle ist. Aber so deutlich wie er hatte sich keiner für eine "EU-Erkundungsmission" in Libyen eingesetzt.

Ecken und Kanten zeigen

Und mitunter kann er auch Ecken und Kanten zeigen durch Taten, die dem nach Harmonie heischenden diplomatischen Korps Schweißperlen bescheren. Ende Februar in China zum Beispiel: Sein Besuch im Atelier des regimekritischen Künstlers Ai Weiwei war ein demonstrativer Akt und die Bestätigung, dass er es mit Schlagworten wie "Man muss auch die Stimme der anderen hören" durchaus ernst meint.

Ai ist nämlich beileibe kein kleiner Fisch, immerhin wurde er rund ein Monat nach dem Spindelegger-Besuch festgenommen. Der Außenminister forderte daraufhin die sofortige Freilassung des Künstlers. Dass Peking diesen Appell nicht befolgte, hat Spindelegger wohl nicht wirklich überrascht. Er ist Realist genug, um die Macht seiner Worte im globalen Gefüge richtig einschätzen zu können...