Die Wienerin Doris Bures als bisherige Ministerin wird Nationalratspräsidentin, dafür bekommt Sabine Oberhauser aus der Wiener SPÖ ein Ministeramt. Nach dem Ableben der Oberösterreicherin Prammer verliert deren Bundesland kein solches, sondern Landsmann Alois Stöger erhält den Posten von Bures. Das Mandat von Prammer wird von Walter Schopf aus dem oberösterreichischen Freistadt eingenommen. Oberhauser, Stöger und Schopf waren oder sind führende Gewerkschafter.

Liest man das aus geografischer und machtpolitischer Sicht, so hat der Bundeskanzler als Parteichef die Quadratur des Kreises geschafft. Fast alle Landes- und Teilorganisationen gewinnen, niemand verliert etwas. Michael Häupls SPÖ in Wien als Herkunft und Überlebensbasis von Faymann ist zufrieden. Die SPÖ in Oberösterreich als zweitmächtigste Landesgruppe hat keinen Grund zur Unzufriedenheit. Die sozialdemokratischen Gewerkschafter, ohne deren Wohlwollen kein Vorsitzender der Partei überlebt - siehe Alfred Gusenbauer -, frohlocken. Mit der Niederösterreicherin und Bundesfrauenvorsitzenden Gabriele Heinisch-Hosek als Präsidentin des Nationalrats wäre das aufgrund der regionalen Herkunft und mangels Gewerkschaftsbezug vielleicht anders.

Formal verlangt das Ringelspiel der SPÖ viele Drehungen, die Schwindelgefühle auslösen. Die Nationalratspräsidentin muss nämlich über einen Abgeordnetensitz verfügen. Verzichten Minister auf ihr Mandat, so haben sie laut Artikel 56 der Bundesverfassung ein Rückkehrrecht. Doch Prammer war Listenerste in Oberösterreich, also dürfen weder Bures noch Heinisch-Hosek den Platz der Verstorbenen einnehmen. Man kann auf Wahlkreis-, Landes- und/oder Bundesliste der Partei kandidieren, doch nicht das Mandat aus einem fremden Bundesland besetzen. Wodurch die Sache nur auf Kosten eines anderen Parlamentariers geht.

Spätestens hier wird es kompliziert und geschichtlich. Denn die Partei wollte Christoph Matznetter im Nationalrat sehen, was erst klappte, als Laura Rudas zurücktrat. Das durch ihren Verzicht frei gewordene Mandat auf der Regionalparteiliste "9E - Wien Süd-West" erhielt im März 2014 Sabine Oberhauser. Sie war zuvor über die Bundesliste in den Nationalrat eingezogen, das dort frei gewordene Mandat bekam Matznetter. Obwohl er auf dem wahltechnisch hoffnungslosen 26. Listenplatz stand. Massenverzichtserklärungen zahlloser Vorgereihter machten es möglich.

Nehmen Bures oder Heinisch-Hosek ihr Bundeslistenmandat an - sie waren da weit vor Matznetter -, würden sie den Letztgenannten sofort wieder aus dem Parlament kegeln. Das knapp vor der Wirtschaftskammerwahl, wo der sozialdemokratische Wirtschaftsverband am ehesten in Wien Chancen hat und Matznetter vermutlich Spitzenkandidat ist. Also wechselt Bures auf das Mandat von Oberhauser.

Problematisch ist die fehlende Transparenz, denn selbst SPÖ-Wählern vom September 2013 dürfte nicht klar sein, wer für sie von woher ihr heutiger Volksvertreter ist. Noch unklarer ist, warum die einfachere Variante nicht gewollt wurde, dass Oberhauser statt Prammer Nationalratspräsidentin wird. Oder Heinisch-Hosek kehrt über die niederösterreichische Landesliste zurück und wird Präsidentin.

Das führt zum Hauptproblem, denn Faymann entschied sich für seine wahrscheinlich engste Vertraute. Was bei der Auswahl von Ministern durch den Bundeskanzler selbstverständlich ist, wird da heikel. Denn in der Verfassung steht, dass wir drei getrennte Staatsgewalten haben - die Gesetzgebung im Parlament, die Verwaltung vulgo Regierung und die Gerichtsbarkeit.

Das Parlament soll unabhängig sein und von parlamentarischen Anfragen bis zu Untersuchungsausschüssen die Regierung kontrollieren. Die Nationalratspräsidentin nimmt dabei eine zentrale Funktion ein, sowohl gesetzlich als auch in der Geschäftsordnungspraxis des Nationalrats. Barbara Prammer war stets parteiübergreifende Verfechterin des Parlamentarismus.

Stöger und Oberhauser kann man befürworten oder ablehnen, doch keine verfassungspolitischen Einwände gegen sie vorbringen. Zu viel parteipolitische Freundschaft an der Spitze unterschiedlicher Staatsgewalten macht hingegen misstrauisch. Ob Bures sich da von ihrem Ex-Chef Faymann emanzipieren kann, wird sich zeigen.

Genauso offen ist, welches inhaltliche Konzept der Kanzler bei den Besetzungen verfolgt. Wenn es nicht um Parteitaktik geht. Es hätte die Chance bestanden, sich als Regierungspartei neu zu positionieren und aus dem Imagetief herauszukommen. Doch das Negativbild hat viel mit verkrusteten Strukturen zu tun, woran ein Jonglieren mit Posten nach Uralttradition nichts ändert.

Das gilt auch für die ÖVP, die proporzmäßig betont, dass das Besetzen von untereinander aufgeteilten Pöstchen nach den Regeln der jeweiligen Partei geschieht. Bei öffentlichen Ämtern ist das ein Denkfehler. Werner Faymann und Michael Spindelegger hätten die Regierungspolitik neu aufstellen können. Zu einem anderen Zeitpunkt würde das als Schwäche gelten, doch einen tragischen Todesfall als Auslöser kann ihnen keiner vorwerfen. So jedoch bleibt der Eindruck der "großen" Koalition aus dem letzten Jahrtausend, die im Jahr 2014 nicht angekommen ist.