Im Wiener Straflandesgericht ist am Donnerstag der zweite Prozess wegen Bestechlichkeit gegen den ehemaligen ÖVP-EU-Mandatar Ernst Strasser fortgesetzt worden. Den Großteil des Tages wurden jene heimlich aufgenommenen Videos vorgeführt, die Strasser in Schwierigkeiten gebracht hatten. In den Gesprächen waren auch konkrete EU-Vorhaben Thema.

Besonderer Geruch

Strasser, der sich nicht schuldig bekannte, soll sich 2010/2011 gegenüber zwei als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten bereit erklärt haben, für 100.000 Euro Jahreshonorar Einfluss auf die EU-Gesetzgebung zu nehmen. Ein bereits erfolgtes Urteil über vier Jahre Haft wurde vom Obersten Gerichtshof aufgehoben, weil nicht klar genug herausgearbeitet worden sei, dass Strasser das Geld für die Beeinflussung einer konkreten EU-Richtlinie - und nicht der EU-Gesetzgebung allgemein - verlangt hat. Auf diese Frage konzentriert sich nun der zweite Prozess. Stundenlang stand am Donnerstag das Sichten der Videos, die die Journalisten aufgenommen hatten, am Programm. Neben den bekannten Zitaten "Of course I am a lobbyist" und "A lobbyist has a special smell" war auf den Bändern auch zu hören, wie Strasser einen jährlichen Vertrag vorschlug: Seine Klienten würden ihm üblicherweise für ein Jahr 100.000 Euro plus 20 Prozent Steuern bezahlen. Verträge mit solchen Kunden habe er "fünf, hoffentlich ab morgen sechs". "Sie wären der Siebente", sagte er gegenüber den "Lobbyisten".

Die Videos zeigten auch, dass bei den Gesprächen konkrete Gesetzesvorhaben Thema waren. So meinte Strasser etwa bei einem Besuch in London im Dezember 2010 zur Elektroschrottrichtlinie, aufgrund des Stadiums (im Gesetzwerdungsprozess) sei es schwierig, hier etwas zu ändern, aber man könnte probieren, Lösungen zu finden. Er müsse mit dem zuständigen Rapporteur im Parlament sprechen. Im Zusammenhang mit der Richtlinie zu genetisch verändertem Saatgut schlug Strasser im Video vor, mit ein paar Staaten zu reden, etwa den Regierungen in Berlin oder Rom - einige kenne er. Auf die Frage, ob man noch heute starten könnte, meinte Strasser: "Wie Sie wünschen." Er wolle noch diskutieren, dass es gut wäre für das Lobbyingunternehmen, eine Vertretung in Brüssel aufzumachen. "Wenn es etwas zu tun gibt, lassen Sie es mich wissen, Sie schicken mir die Papiere und wir unterschreiben sie und dann fangen wir an." Offenlegen müsse er das nicht, weil die Beratung über sein Unternehmen laufe.

Die "rote Linie"

Strasser meldete sich zwischendurch im Gerichtssaal zu Wort, um seine Verteidigungslinie zu bekräftigen. Er gibt ja an, den Verdacht gehegt zu haben, es könnte sich bei den Lobbyisten um Agenten gehandelt haben, was er verifizieren oder falsifizieren wollte. Für ihn gehe aus den Videos hervor, dass er nur eine generelle Zusammenarbeit für möglich gehalten habe, er habe immer eine "rote Linie" eingehalten, betonte er. Bevor sich das Gericht die Videos zu Gemüte führte, wurde Ulrike H., eine frühere Mitarbeiterin von Strassers damaligem Fraktionskollegen Othmar Karas, als Zeugin befragt. Es ging dabei um die sogenannte Anlegerschutzrichtlinie, zu der Karas' Büro Anfang 2011 einen Abänderungsantrag - erstellt von den beiden vorgeblichen Lobbyisten - von Strasser erhalten hatte. H. wurde diesbezüglich nicht nur von Strassers Büro, sondern auch ihm selbst kontaktiert, und zwar unter ihrer Privatnummer.

H. hatte den Eindruck, dass auch ein tatsächliches Einbringen des Antrags gewünscht sei, wenn er als sinnvoll bewertet werde - darauf habe die Frequenz der Kontaktaufnahme und der Nachfragen hingedeutet. Die Anrufe seien ihr "schön langsam unangenehm" gewesen, sagte sie. Sie sei "irritiert" gewesen, weil so oft nachgefragt worden sei. Karas selbst hatte am Dienstag bei seiner Zeugenbefragung ausgesagt, dass er den Antrag auch deshalb nicht eingebracht hat, weil ihn Vorgangsweise skeptisch gemacht habe - so habe die Anzahl der Anrufe und E-Mails seitens Strassers Büro "nicht der Gewohnheit entsprochen".

Ein Urteil soll allenfalls kommenden Donnerstag fallen.