Wer Milliarden verdient hat, kann kein Idiot sein. Wäre das möglich, so bedürfte es unzähliger Leute, die noch dümmer sind und dafür ihr Geld hergeben. Ist also Frank Stronach mehr als ein seniler Heimkehrer aus Übersee, der im hohen Alter seinem Politikhobby frönt und den zweifelhafte Glücksritter umschwirren, um von ihm zu profitieren?

Vermutlich ja. Nüchtern betrachtet war die Doppelstrategie goldrichtig: a) durch die teilweise Kaperung des BZÖ von Anfang an Parlamentspartei zu sein und b) als Umwegrentabilität für Werbemillionen in Boulevardzeitungen eine redaktionelle Berichterstattung zu bekommen.

Stronachs Gegner und Beobachter mokieren sich zu Recht über Stil oder Qualität der Parteigründung. Sein Auftreten widerspricht zudem allen Kommunikationsregeln und ist unprofessionell. Doch ihn scheltende PR-Gurus sollten überlegen, ob wem außer Stronach 2013 medial eine vergleichbare Präsenz gelungen ist. Unabhängig vom inhaltlichen Wert seiner Aussagen hat das niemand geschafft.

Gekaufte Liebe

Es ist daher nicht so, dass man das Team Stronach kurz analysieren könnte: Hier wolle ein älterer Herr Aufmerksamkeit und Anerkennung. Weil er steinreich ist und geliebt werden will, würde er sich beides eben kaufen. Einst im Fußball und nun in der Politik. Aber sogar die sektenähnliche Verehrung des Parteigründers ist bloß eine Facette eines komplexen Phänomens.

Das beweist die geschickte Konstruktion, mit der Stronach sein Team programmatisch und finanziell abhängig machte. Das Statut der Partei lässt zu, dass Stronach jeden ausschließen und keiner ihn abwählen kann. Mit Demokratie hat das nichts zu tun, weil eine Mehrheit Andersdenkender nicht gegen Einzelmeinungen ankommt. Dafür wird verhindert, dass jemand Franks Geld einsteckt und nicht pariert. Dazu passt, dass Stronach nach großzügigen Anfangsspenden nun angeblich seine Euromillionen als Darlehen überweist und damit Vasallentreue erzwingt.

Anderenfalls könnten ja theoretisch Klubobmann & Co planen, nach der Wahl vom sicheren Abgeordnetensitz aus klüger als Stronach zu sein und diesen im Regen stehen zu lassen. Ihr Mandat können sie nicht verlieren, allein die Drohung der Rückzahlung obiger Kredite dürfte Rebellionsversuche unterdrücken. Offen bleibt, ob Stronach im Fall seines Ablebens der Partei testamentarisch alles schenkt oder weniger politikaffine Erben diese ruinieren können.

Interne Streitigkeiten gibt es trotzdem. Der Tiroler Landtagswahlkampf mit dem Kleinkrieg von drei Parteilisten zeigte, dass Fairness als Slogan eine Worthülse ist. Der Begriff Wahrheit bekam einen ironischen Beigeschmack, weil BZÖ-Überläufer vor ihrem Wechsel tagelang auf journalistische Anfragen hin schwindelten oder logen. Die Transparenz klingt unglaubwürdig, solange Stronachs Steuerakt verschlossen bleibt.

20 Mandate

Allerdings ist die Verdrossenheit mit etablierten Parteien ungleich größer. Das Potenzial von einem Drittel enttäuschter Protestwähler genügte in Niederösterreich, Salzburg und Kärnten locker für den Landtagseinzug. Doch unabhängig vom garantierten Wahlerfolg ist nicht genug für alle da. Geht man in der Nationalratswahl von rund zehn Prozent oder 500.000 Stimmen für das Team Stronach aus, sind das über 20 Mandate. Davon werden nur fünf oder sechs mit Kandidaten der Bundesliste besetzt und 15 über Landeslisten. Direktmandate in einem der 39 Regionalwahlkreise wird es nicht geben. Ob alle Stronach-Politiker aufgepasst haben, was in welchem Bundesland ein sicherer Listenplatz ist?

Das birgt Konfliktstoff, den Parteifans ist es genauso egal wie Themen von Energie bis Umwelt. Was sie antreibt, ist der Protest. Hauptwahlmotive sind "Kontrolle" und "frischer Wind" für die Politik. Letzteres ist zweischneidig, viele sehen Stronach als Spektakel und willkommene Abwechslung, ohne ihn zu wählen. Dass das Frauen unter 30 Jahre relativ selten tun, bringt den Parteigründer übrigens in Rage. Obwohl es seine Wahlchancen nicht schmälert, wenn eine kleine Bevölkerungsgruppe ihn weniger mag, und er ansonsten mit seiner Lebensgeschichte ein breites Spektrum vor allem der privatwirtschaftlich Berufstätigen anspricht. Offenbar kränkt es ihn, wenn nicht alle weiblichen Wesen für ihn schwärmen.

Besonders leicht tut sich das Team Stronach unter den Lesern jener Wiener Zeitungen, wo ihm teure Inserate Unterstützung bringen. Andere Medien, die Stronach kritisieren und über welche er umgekehrt schimpft, sind ebenfalls Gewinner. Im ORF etwa hatte er bizarre Auftritte und warf dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in zehn Monaten mehr vor als Jörg Haider und Heinz-Christian Strache in zehn Jahren. Doch er sorgt für gute Einschaltquoten, sodass die Programmplaner sich ins Fäustchen lachen.

Dasselbe gilt für die SPÖ, weil er den Freiheitlichen Stimmen kostet und deren Träume vom ersten Platz jäh beendete. Da der Parlamentseinzug des Teams Stronach gesichert scheint, sind Prozentprognosen uninteressant. Spannend ist, wie man sich bei der Regierungsbildung verhalten wird. Stronach hat in kuriosen Interviews sowohl Koalition als auch Opposition nahezu ausgeschlossen. Demnach wäre nur Alleinregierung oder Mandatslosigkeit denkbar. Da das absurd ist, gilt der Grundsatz: "Alles ist möglich!"