Proteste, bei denen Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Einführung einer islamischen Diktatur (“Kalifat“) demonstrieren, wird es in Österreich laut Experten nicht geben. Dazu sei das Mobilisierungspotenzial von Gruppierungen wie Muslim Interaktiv hierzulande zu gering. Ein Verbot wäre wenig zweckdienlich, hieß es nach Anfrage gegenüber der APA.

Einführung einer Diktatur nach islamischer Prägung

Für Aufsehen hatte in der vergangenen Woche eine Kundgebung in Hamburg gesorgt. In der norddeutschen Stadt demonstrierten 1.100 Teilnehmer für die Einführung einer Diktatur nach islamischer Prägung. Mobilisiert werden die Teilnehmer solcher Aktionen vor allem auf Universitäten, weiß der Islamismusforscher Moussa Al-Hassan Diaw. Großen Einfluss haben die Veranstalter etwa in Berlin, Hamburg und im Ruhrgebiet, aber nicht in Wien oder Graz. Jede Anmeldung einer derartigen Veranstaltung bei der Polizei würde in Österreich sofort scheitern, sagt Diaw. Die Veranstalter könnten höchstens versuchen, das Protestmotiv zu verschleiern.

„Gerade für Studierende, die Antworten und Sicherheit im Leben suchen, sind diese Bewegungen sehr attraktiv“, erklärte der Islamwissenschafter Rüdiger Lohlker von der Universität Wien gegenüber der APA. Gruppierungen wie Muslim Interaktiv „liefern einfache Antworten auf komplizierte Fragen, ein klares Weltbild und Sicherheit“. Ihr modernes Auftreten in den sozialen Medien mache sie auch für ein junges Publikum attraktiver. „Da wirken diese Leute nicht wie steinzeitliche Patriarchatsverfechter“, sagt Lohlker.

Sollten die „Kalifat-Proteste“ dennoch nach Österreich überschwappen, raten beide Experten den Behörden von einem Verbot ab. „Da würde man ihnen nur eine Bühne geben“, sagt Lohlker. Ein Verbot könne sie auch für Bevölkerungsgruppen, die bisher keine Bezugspunkte zum Islamismus haben, interessanter machen. Das islamistische Potenzial in Wien wäre da, heißt es. Nicht wenige Personen, die seit dem Beginn des Gaza-Krieges auf Anti-Israel Protesten gewesen sind, würden sich auch von dieser Art des Protests angesprochen fühlen, meint Diaw.