Einem seriösen Drehbuchautor käme diese Geschichte nicht in den Sinn. Zu unglaublich, ja skurril sind die Sprünge und Brüche. Der Politik in Österreich dagegen, mit ihren Hinterhofkämpfen und einem Hang zu eigenwilligen Charakteren widerfährt eine solche Geschichte geradezu unabsichtlich. Die Frage „Wie konnte das bloß geschehen?“ kommt verlässlich erst hinterher.

Egisto Ott, der ehemalige Verfassungsschützer aus Paternion, ist wegen einer solchen Geschichte in aller Munde. Dies auch deshalb, weil sich seine Komplizen Jan Marsalek und Martin Weiss auf der Flucht sind. Der einstige Wirecard-Vorstand, der im Verdacht steht, seit Jahren für den Kreml zu spionieren, wird in Russland vermutet. Weiss, der im aufgelösten Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) der Otts Vorgesetzter war und – nach dem Platzen der Wirecard-Blase – im Juni 2020 Marsalek bei der Flucht half, wird in Dubai vermutet.

Österreich ist eben nicht nur eine Drehscheibe für, sondern auch ein Land der Spione.

Weiss wie Ott, von dem ein Kollege berichtet, er habe oft im Ton einer Kassandra vor kommenden Enthüllungen in Bezug auf die ÖVP gewarnt, fühlten sich als Rote im nach 2000 tief schwarzen Innenministerium an den Rand gedrängt. Narzisstische Kränkungen schmerzen oft am stärksten.

Es war Peter Gridling, von 2008 bis 2020 BVT-Chef, der Ott 2017 vom Dienst suspendierte und wegen mutmaßlicher Spionage anzeigte. Aber das Substrat sei damals „zu dünn“ gewesen, erzählte Gridling kürzlich der Kleinen. Damals kursierten wilde Vorwürfe gegen das BVT unter Medien und Parteien, die sich großteils als falsch herausstellten, mit denen aber dennoch Politik gemacht wurde.

Einer dieser Politiker, aber nicht der einzige, war der Ex-FPÖ-Abgeordnete Hans-Jörg Jenewein. Dieser hatte mit Ott über eine mögliche Zahlung gechattet, wobei jedoch unklar ist, wofür genau. 2021 kam es zur Hausdurchsuchung beim FPÖ-Politiker. Die ÖVP will Jenewein im U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ befragen. Sollte es irgendwann einen zur Spionageaffäre geben, müsste endlich auchgeklärt werden, wer Regie führte, als im Februar 2018 zur Razzia im BVT kam. Innenminister war damals Herbert Kickl, der Antrag kam von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Möglich, dass dann auch Peter Pilz geladen wird. Der Ex-Grüne hatte ebenfalls Kontakt mit Ott. Dessen Medium „Zackzack“ war bei der Veröffentlichung von Chats ganz vorn dabei, die aus Handys von Spitzenbeamten des Innenministeriums stammten, die 2017 nach einem feuchtfröhlichen Ausflug erst im Wasser, dann in Otts Händen und schließlich beim russischen Geheimdienst landeten. Der nette Herr Ott hatte auch seine Finger im Spiel, dass der bulgarische Investigativ-Journalist Christo Grozev Österreich 2023 Hals über Kopf verlassen musste, weil er nicht mehr sicher vor dem langen Arm von Russlands Wladimir Putin war.

Auf die letztgültige Moral von der Geschichte müssen wir noch warten.