Außenpolitische Fragen standen am Mittwochabend im Mittelpunkt des ZiB 2-Interviews von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei Armin Wolf. Neben der Frage einer Stationierung westlicher Bodentruppen in der Ukraine, wie es der französische Staatspräsident Emmanuel Macron nach dem Gipfeltreffen am Montag als Option in den Raum stellte, und der Rolle Österreichs in dem Konflikt mit Russland.

Gespräche mit China, Indien oder Brasilien suchen

Nehammer beteuerte einmal mehr, dass Macrons Vorschlag „weit weg von der Mehrheitsmeinung beim Gipfel“ gewesen sei. Seine Rolle habe dort darin bestanden, insbesondere die Perspektive eines neutralen Staates einzubringen und Möglichkeiten für eine Beendigung dieses Kriegs aufzuzeigen. Dabei betonte der Kanzler einmal mehr, dass es wichtig sei, Staaten wie China, Indien oder Brasilien einzubinden, die nach wie vor ein gutes Verhältnis zu Russland pflegen, um einen mäßigenden Einfluss auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin auszuüben. Es gelte, wachsam zu sein, um eine nicht mehr kontrollierbare „Eskalationsspirale“ und einen Dritten Weltkrieg zu verhindern, denn in Kriege könne man auch hineinstolpern.

Dass Österreich zwar westliche Waffentransporte durch sein Territorium akzeptiere, aber die Ausbildung ukrainischer Soldaten verweigere, sei kein Widerspruch, zeigte sich Nehammer überzeugt, der zugleich betonte, dass Österreich in Übereinstimmung mit allen europäischen Beschlüssen handle.

Bundeskanzler Karl Nehammer im ZiB 2-Interview:

„Neutralität nützt uns, Bundesheer schützt die Neutralität“

Dass er versuche, eine Debatte über die Neutralität nach dem russischen Überfall im Februar 2022 zu verhindern, wies Nehammer ebenso zurück wie einen Vergleich mit der sicherheitspolitischen Situation der beiden ehemals neutralen Staaten Schweden und Finnland, die seitdem der Nato beigetreten sind. In diesem Zusammenhang verwies er einmal mehr auf die breite Unterstützung für die Neutralität in der Bevölkerung im Umfang von rund 80 Prozent.

Ob die Neutralität Österreich nun nütze oder schütze, hakte Wolf nach. „Die Neutralität nützt uns, weil wir international intensiv verflochten und viele internationale Organisationen in Wien beherbergen“, so der Kanzler, „und das Bundesheer schützt die Neutralität“.

Verpflichtende Milizübungen würden Instabilität bringen

Den Umstand, dass die Regierung, wider den Rat von Militärexperten, nicht die verpflichtenden Milizübungen im Bundesheer wieder einführt, rechtfertigte Nehammer damit, dass dies „ein zu großer Schritt ist, der wieder Instabilität bringen würde“. Auf Nachfrage verwies er auf wirtschaftliche Folgen großangelegter Milizübungen angesichts des Arbeitskräftemangels und auf die laufenden Nachrüstungen des Bundesheeres in vielen Bereichen.

Kritik an verschärften Kreditrichtlinien

Innenpolitisch unterstrich Nehammer, dass beim Wohnbau-Paket Tempo gefragt gewesen sei und deshalb auf die bereits mehrfach angekündigte, aber von den Ländern abgelehnte Wiedereinführung der Zweckwidmung für die Wohnbauförderung verzichtet worden sei. Die verschärften Kreditrichtlinien für Immobilienkäufe der Finanzmarktaufsicht kritisierte Nehammer einmal mehr.

Keine Äußerung im ORF, dafür bei Oe24

Anders als kurz zuvor auf Oe24 wollte Nehammer unter Verweis auf seine Stellung als Bundeskanzler kein Statement zur Debatte um die Rolle des Richters im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz abgeben. Zuvor hatte er sich voll inhaltlich hinter „die sehr klare Stellungnahme“ von ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker gestellt. „Generell ist die unabhängige Gerichtsbarkeit in einer Verfassung in einer Demokratie ein hohes Gut“, so Nehammer am Abend in einem Interview mit „Oe24“. Die Verurteilung des Ex-Kanzlers kommentierte Nehammer mit den Worten: „Wir haben es nicht erwartet, es ist zur Kenntnis zu nehmen und es ist nach wie vor ein offenes Verfahren, weil jetzt die nächste Instanz gesucht wird“.