Die erste Begutachtung des letzten türkis-grünen Budgets durch die Opposition war erbarmungslos: „Hinter uns die Sintflut“, tönten SPÖ wie Neos wortwörtlich und die FPÖ sinngemäß. Die harte Kritik, noch vor Beginn der Detailverhandlungen, könnte auch damit zusammenhängen, dass zumindest eine dieser Parteien ziemlich sicher der kommenden Regierung angehören und damit auch ein Problem haben wird.

Eine Neuauflage von Türkis-Grün ist angesichts der Umfragen unrealistisch, daher werden – Wunder ausgenommen – entweder SPÖ, FPÖ oder die Neos in der nächsten Legislaturperiode für die Budgeterstellung mitverantwortlich sein. Davor werden ÖVP und Grüne noch einmal ein Budget sowie einen Finanzrahmen beschließen. Dabei handelt es sich um die Fortschreibung des Budgets bis 2027 unter Berücksichtigung der aktuellen Konjunktur- und Inflationsprognose. Entwickelt sich die Wirtschaft besser als erwartet, fällt das Defizit geringer aus, bricht die Wirtschaft ein, wird es größer.

SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer (l.) übte scharfe Kritik am hohen Defizit
SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer (l.) übte scharfe Kritik am hohen Defizit © APA/ROLAND SCHLAGER

Es ist vor allem dieser Finanzrahmen, der die kommende Bundesregierung vor erhebliche Herausforderungen stellt. Defizit und Verschuldung werden sich in den kommenden Jahren laut Plan de facto nicht reduzieren. „Der Spielraum für die nächste Bundesregierung – oder für die nächste Krise – ist sehr beschränkt“, sagt Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller. Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrats, sagt sogar: „Ich finde es bedrückend, dass ein Budgetrahmen vorgelegt wird, in dem nicht einmal der Versuch unternommen wird, das Defizit zu senken. Nur mit Wirtschaftswachstum allein wird das nicht gelingen“, so Badelt.

Ein Blick auf einige Kennzahlen des Finanzrahmens offenbaren das Problem. Der Anteil der Pensionsausgaben an den Einnahmen des Staates steigt bis 2027 auf 31,7 Prozent. Vor zwei Jahren waren es noch 25 Prozent. Der Zinsdienst wird am Ende der Budgetperiode laut Plan 8,8 Prozent der Steuereinnahmen verschlingen, 2021 war es die Hälfte. Für diese Budgetposten, also nur diese zwei, wird der Staat bald 40 Prozent seiner Einnahmen verwenden müssen. Im Jahr 2021 waren es rund 30 Prozent.

Druck für Strukturreformen

Ein tieferer Blick ins Budgetarchiv zeigt aber auch: Der Finanzrahmen des fiskalischen Schreckens ist nicht nur ein Produkt dieser Bundesregierung. Es gibt eine recht kontinuierliche Entwicklung zentraler Budgetposten – und gewiss nicht ganz zufällige Sprünge bei Pensionen oftmals vor Wahlen. Badelt ortet generell „keine ernsthafte Diskussion“, wie man das Budget nachhaltig in Griff bekommt.

Expertin Schratzenstaller sieht angesichts des Finanzrahmens und aufgrund diverser Beschlüsse in jüngerer Vergangenheit einen „verstärkten Druck für Strukturreformen“. Zwei dieser Maßnahmen sind die Indexierung von Sozial- und Familienleistungen sowie die automatisierte Abgeltung der kalten Progression. Beides wurde seit Jahren gefordert, ist isoliert auch wenig umstritten, hat aber eben auch eine fiskalische Kehrseite.

Die Folgen der Abschaffung der kalten Progression

Denn selbst wenn die nächste Regierung voller Reformeifer und Umsetzungskraft sprühen sollte, dauert es Jahre, bis sich strukturelle Änderungen im Budget niederschlagen, beim Pensionssystem sogar besonders lange. Eine neue Regierung wird aber auch investieren wollen. Früher konnten sich Finanzminister durch Nichtvalorisierung und kalte Progression von Budget zu Budget hanteln. Das geht nicht mehr. Auch Badelt sagt: „Die Abschaffung der kalten Progression erfüllt mich eher mit Sorge.“ Weniger aus prinzipiellen als aus realpolitischen Überlegungen.

Es ist nicht die Momentaufnahme, sondern die Perspektive, die Badelt Sorgen bereitet. Denn auch im Jahr 2006 mussten für Pensionen und Zinszahlungen bereits knapp 40 Prozent der Einnahmen aufgewendet werden. Nur damals war das Zinsniveau sehr hoch. „Wir haben uns alle an die niedrigen Zinsen gewöhnt“, so Badelt. Gemessen an den Staatseinnahmen ist der Zinsdienst nach der Finanzkrise von einem Sechstel auf ein Zwanzigstel geschrumpft. Von Jahr zu Jahr fand der Finanzminister oder die Finanzministerin dadurch Spielräume vor, die naturgemäß schnell gefüllt wurden. Da jedes Jahr aber ein Teil der Schulden refinanziert werden muss und der Leitzins derzeit höher ist als 2006, ist klar, wohin die Reise wieder gehen wird ­– und vor welch großen Herausforderungen die kommende Bundesregierung steht.