Das Prädikat schillernd und das hohe Staatsamt eines Sektionsleiters in der österreichischen Ministerialbürokratie passt eigentlich nicht zusammen. Doch auf Christian Pilnacek traf beides zu. In der Nacht auf Freitag ist der langjährige Spitzenbeamte mit Hang und Drang zu Öffentlichkeit im Alter von 60 Jahren gestorben.

Innerhalb des politikmedialen Betriebs war Pilnacek schon lange bekannt und gut vernetzt, einer breiteren Öffentlichkeit wohl aber erst ab 2019, als Konflikte mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft offen ausbrachen. Zwei Jahre später geriet der Jurist selbst ins Visier von Ermittlungen, seither war er suspendiert. Wie das Nachrichtenmagazin Profil schreibt, soll diese Suspendierung aber kurz vor der Aufhebung gestanden sein.

Schneller Aufstieg zum Top-Juristen

Der frühere Richter war im Jahr 1999 ins Justizministerium gewechselt, stieg dort zum Abteilungsleiter auf. Er war maßgeblich an der Strafprozessreform 2004 beteiligt, galt als deren Architekt. Im Jahr 2010 unter Ministerin Claudia Bandion-Ortner übernahm er die neu geschaffenen Strafrechtssektion.

Der Wahl-Steirer, der in zweiter Ehe mit der Präsidentin des Grazer Landesgerichts, Caroline List, verheiratet war, galt als fachlich versierter Spitzenbeamter, der einerseits als Erklärer von oft komplexen rechtspolitischen Gesetzesmaterien, andererseits aber auch als Informationsgeber von Journalisten und Journalistinnen geschätzt wurde. Abends war er nicht selten bei Veranstaltungen und in guten Lokalen anzutreffen. Man traf einander – das war der schillernde Part des Spitzenbeamten.

Konflikte mit der WKStA

Die steile Karriere Pilnaceks geriet erstmals 2019 durch ein nach außen gespieltes Protokoll einer Unterredung mit der WKStA zur Causa Eurofighter ins Wanken. Bei der Besprechung soll er gefordert haben, Teile des Verfahrens zu „derschlagen“. Also einzustellen? Dies sei eine falsche Interpretation gewesen, verteidigte sich Pilnacek.

Der Konflikt mit der WKStA, die ihn wegen Amtsmissbrauch anzeigte, wurde damals erstmals öffentlich und eskalierte auch völlig. Auch Pilnacek klagte wegen der Aufnahme. Dem Streit vorangegangen war die Kritik des Beamten an der Rolle der WKStA bei der umstrittenen, später rechtswidrig erklärten Razzia im Verfassungsschutz (BVT).

Justizminister Josef Moser intervenierte damals mit einem Mediator, allerdings ohne Erfolg. Der Konflikt war nicht mehr aufzulösen, weshalb Pilnacek aber auch in die politische Debatte hineingezogen wurde. Der viele Jahre anerkannte, ruhige Beamte war auf einmal ein „umstrittener Beamte“, der sich auch wortreich gegen Angriffe, etwa von Peter Pilz, wehrte.

In der politische Debatte gezogen

Als im Februar 2021 auch gegen Pilnacek wegen einer von ihm mutmaßlich verratenen Razzia (in einer ganz anderen Causa) ermittelt wurde, landeten nur wenig später SMS in den Medien, aus denen eine parteipolitische Schlagseite herausgelesen wurde. Er hatte Ermittlungen der WKStA gegen den damaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wörtlich als „Putsch“ bezeichnet und dessen Büro juristische Hilfe angeboten.

Davor war Pilnacek, der Ressortschefs und -chefinnen von fünf Fraktionen diente, nie Parteinähe attestiert worden, sondern vielmehr ein Selbstverständnis, das sich mit bedingungsloser Parteiloyalität kaum verträgt. Doch die Debatte um das Wirken der WKStA ist längst auch zu einer parteipolitischen geworden.

Bis zuletzt war Pilnacek um Rehabilitierung bemüht. Einen Prozess gewann er, andere Ermittlungen wurden eingestellt. Es sah gut aus. Am späten Donnerstagabend, von einer Veranstaltung kommend, verfuhr sich Pilnacek im alkoholisierten Zustand auf der A22 bei Stockerau. Die Polizei bestätigte die Geisterfahrt, dass ihm der Führerschein abgenommen und Pilnacek von einem Bekannten abgeholt worden sei. Was danach geschah, wird noch ermittelt. In den Morgenstunden wurde in der Nähe von Krems die Leiche von Christian Pilnacek gefunden. Eine Obduktion wurde angeordnet.