Was geht vor? Die deutsche Autoindustrie und ihre Arbeitsplätze in Wolfsburg, oder die UN-Klimaziele, die die EU erreichen soll? "Die deutsche Autoindustrie hat das verschlafen. Wir dürfen keine Zeit verlieren, wir müssen es jetzt machen, sonst verlieren wir eine ganze Generation", findet Frans Timmermans, und: "Wir brauchen sehr schnell eine CO2-Steuer auf europäischer Ebene! Wir müssen das zusammen machen. Aber wir müssen auch Polen und Slowaken massiv unterstützen, die noch von Kohle leben."

Manfred Weber dagegen erzählt, dass er erst vor kurzem in Wolfsburg war, und mahnt, ja, ehrgeizige Ziele bis 2050, CO2-Steuer eher nein: Gerade in Deutschland müsse man an Arbeitsplätze denken, nicht die Ärmsten belasten. Stattdessen müsste die EU auf Innovation setzen, um dem Klimawandel Herr zu werden.

Es war eine flotte, intensive Debatte, zu der die Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (Weber) und Sozialdemokraten (Timmermans) um die Nachfolge von Jean-Claude Juncker an der Spitze der EU-Kommission am Dienstagabend in der ARD-Wahlarena aufeinandergetroffen sind. Thematisch vielfältig (auch wenn die Fragen aus dem Publikum tendenziell aus dem linken Spektrum zu kommen schienen und damit Timmermans entgegenkamen), ohne Untergriffe und von beiden Kandidaten mit viel Leidenschaft geführt. Eine Debatte, die viele Gemeinsamkeiten offenbarte - etwa beim Versprechen, die nächste Kommission zur Hälfte mit Frauen zu besetzten - aber eben auch Unterschiede wie beim Klimawandel.

Der deutsche Weber, Vizechef der CSU, und der Niederländer Timmermans, kämpfen darum, mit ihren Parteienfamilien im nächsten Europaparlament die stärkste Fraktion zu stellen.

Timmermans will Klimaschutz zur Chefsache machen und plädierte nicht nur für eine CO2-Steuer, sondern auch für eine Besteuerung von Kerosin, um den Steuervorteil für klimaschädliche Flugreisen auszugleichen. Auch Weber sagte, er wolle die steuerliche Ungleichbehandlung von Bahn, Auto- und Flugreisen beenden. Das sei ein "wunder Punkt".

In der Migrationspolitik warb Timmermans für eine umfassende Aussöhnung mit Afrika. Es brauche einen "massiven Marshallplan" für den Nachbarkontinent, sagte der Niederländer. So könne die Gesellschaft - Wirtschaft, Bildung, Rechtsstaat - modernisiert werden. Erst im nächsten Schritt könne man mit den afrikanischen Ländern über das Thema Migration sprechen. Weber plädierte ebenfalls für ein deutlich ausgebautes Verhältnis zu Afrika. Als Instrument setze er dabei jedoch vor allem auf Handelsverträge und besondere Partnerschaften zu den Ländern.

In der Steuer- und Sozialpolitik warb Timmermans offensiv - etwa mit Andreas Schieders Starbucks-Beispiel - für europäische Lösungen, auch wenn die EU hier noch keine Kompetenzen habe. Das müsse eben mit den Mitgliedsstaaten geklärt werden, sagte der Sozialdemokrat. Er wiederholte seinen Vorschlag einer minimalen Körperschaftssteuer von 18 Prozent. Weber ging insgesamt eher auf Distanz zu einer Ausweitung von EU-Kompetenzen. Der CSU-Politiker sprach sich aber auch für eine Digitalsteuer aus. Das Geld solle dann in seinen Fond für Digitalisierungsverlierer fließen.

Um die EU demokratischer zu machen, plädierte Timmermans für transnationale Listen. Das bedeutet, dass man in Deutschland auch finnische oder italienische Kandidaten wählen könnte. Weber lehnte dies ab. Kandidaten müssten möglichst lokal verwurzelt sein, sagte er.