Bei der Europawahl haben sich in ersten Trends deutliche Verluste für die großen Volksparteien abgezeichnet. Besonders stark verloren Konservative und Sozialdemokraten im bevölkerungsreichsten Mitgliedsstaat Deutschland. Der Erfolg rechtspopulistischer Parteien blieb schaumgebremst, in einigen Staaten verbuchten sie sogar Verluste. Dagegen gab es für Grüne teils spektakuläre Erfolge.

Spektakuläre Erfolge für Grüne

In Deutschland kamen CDU/CSU in Prognosen von ARD und ZDF nur noch auf 27,7 bis 27,9 Prozent, nach 35,3 Prozent vor fünf Jahren. Die SPD stürzte laut Prognosen von 27,3 auf 15,6 Prozent. Beides waren historische Tiefstände. Die rechtspopulistische AfD legte von 7,1 auf etwa 10,5 Prozent zu. Überraschung des Abends waren aber die Grünen, die sich mit 20,8 bis 21,8 Prozent auf den zweiten Platz schoben.

Auch in Österreich schnitten die Grünen mit 13,5 Prozent laut einer Trendprognose stärker ab als erwartet, in Irland lag die bisher nicht im Europaparlament vertretene Partei bei 15 Prozent.

EVP und Sozialdemokraten verlieren kräftig

Europaweit dürften die christdemokratische Parteienfamilie EVP und die Sozialdemokraten der S+D laut Umfragen vor der Wahl künftig deutlich schwächer unter den 751 Europaabgeordneten vertreten sein. Erstmals dürften sie gemeinsam keine Mehrheit haben. Die Liberalen, die sich mit der erstmals angetretenen Partei LREM des französischen Präsidenten Emmanuel Macron verbünden wollen, dürften dafür erheblich stärker werden.

Zwei Drittel sind "EU-freundlich"

EU-freundliche Parteien werden aller Voraussicht nach auch im neuen Parlament rund zwei Drittel der Abgeordneten stellen. Ob sie breite Bündnisse schaffen, beeinflusst auch die Besetzung von Spitzenposten. Auf das Amt des EU-Kommissionspräsidenten hoffen der CSU-Politiker Manfred Weber, dessen EVP trotz allem stärkste Partei werden dürfte, sowie der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans.

Ergebnis in Italien mit Spannung erwartet

Am frühen Sonntagabend lagen erst wenige Prognosen auf Grundlage von Nachwahlbefragungen und letzten Umfragen aus einzelnen Ländern vor. Mit besonderer Spannung wurde für den späten Abend das Ergebnis der rechtspopulistischen Lega in Italien erwartet, da Parteichef Matteo Salvini die europäische Rechte einen und gegen die EU in jetziger Form in Stellung bringen will. Der Lega wurden in Umfragen mehr als 30 Prozent Stimmanteil zugetraut, nach nur 6,2 bei der Europawahl 2014. Auch die Partei der Nationalistin Marine Le Pen in Frankreich sowie die neue Brexit-Partei in Großbritannien konnten hoffen, stärkste Partei zu werden.

Prognosen für kleinere Länder

Die ersten Prognosen kamen vor allem aus einigen kleineren Ländern. Dabei gab es mehrheitlich Verluste für die Regierungsparteien. In Kroatien, Bulgarien und Zypern konnten die konservativen Regierungsparteien ihre führende Rolle laut Exit-Polls mit Verlusten behaupten. Auch in der Slowakei konnte sich die sozialdemokratische Regierungspartei SMER nach ersten Trends nur knapp vor der neuen liberalen Partei PS halten, während die rechtsextreme Partei LSNS sich von 1,7 Prozent vor fünf Jahren auf 13 bis 14 Prozent katapultierte. In Griechenland überrundete die konservative Nea Dimokratia die linke Regierungspartei SYRIZA, die dennoch leicht zulegen konnte. Die rechtsextreme Goldene Morgenröte verlor aber im Vergleich zum Jahr 2014.

ÖVP gegen den Trend

Gegen den europäischen Trend legte die Kanzlerpartei ÖVP zu, die unter dem Effekt der Ibiza-Affäre offenbar FPÖ-Stimmen abholen konnte. In Ungarn wurde die Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orban mit 56 Prozent der Stimmen stärkste Kraft, und damit wohl auch erfolgreichste Einzelpartei der gesamten EU vor der maltesischen Regierungspartei Labour, die 55 Prozent erreichte.

Niederlande Sozialdemokraten vorne

In den Niederlanden lagen die Sozialdemokraten um den Europa-Spitzenkandidaten Frans Timmermans völlig unerwartet vorn und kamen auf 18,1 Prozent, während rechtspopulistische Parteien unter den Erwartungen blieben. In Irland stachen die guten Ergebnisse der Regierungspartei Fine Gael mit 29 Prozent und der Grünen mit 15 Prozent heraus.

Wahlbeteiligung gestiegen

Europaweit wurde eine zum Teil massiv gestiegene Wahlbeteiligung verbucht. In Spanien lag sie zwei Stunden vor Wahlschluss bei 49 Prozent, verglichen mit 34 Prozent im Jahr 2014. In Rumänien zeichnete sich sogar eine Rekordbeteiligung ab, rund 43 Prozent waren zwei Stunden vor Wahlschluss fast doppelt so viel wie vor fünf Jahren.

Zum Abschluss der viertägigen Europawahl hatten am Sonntag die Bürger in Österreich und 20 weiteren Ländern über ihre neuen Abgeordneten für das EU-Parlament abgestimmt. In vielen der 28 EU-Staaten zeichnete sich eine zum Teil deutlich höhere Wahlbeteiligung ab als vor fünf Jahren.

Insgesamt waren mehr als 400 Millionen Wahlberechtigte in 28 Ländern dazu aufgerufen, die 751 Abgeordneten im EU-Parlament zu wählen. Offizielle Ergebnisse wurden erst nach Schließung der letzten Wahllokale in der EU um 23.00 Uhr in Italien erwartet.