SPÖ-Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner tourt im Zuge des Wahlkampfs bereits zum zweiten Mal durch alle Bundesländer. Im August will sie sich ein paar Urlaubstage mit der Familie aus dem dichten Terminkalender herausschneiden. Nicht zuletzt, um mit ihrem Mann im steirischen Tauplitz den 20. Hochzeitstag zu feiern.


Die Ausgangslage für die vorgezogene Nationalratswahl ist eine schwierige: Platz eins scheint außer Reichweite zu sein, bei der Koalitionsbildung dürfte ÖVP-Chef Sebastian Kurz am Tag nach der Wahl alle Trümpfe in Händen halten. Ob die SPÖ mit einem Plus abschneidet, ist fraglich.


Bei einem Besuch in der Grazer Redaktion der Kleinen Zeitung präzisiert Rendi-Wagner ihr zentrales Wahlziel. „Meine Aufgabe ist es, die Partei wieder zurück in eine Regierung zu führen.“ Es gehe um die Balance im Land. „Österreich kann es sich nicht leisten, die SPÖ auf der Oppositionsbank zu belassen. Als Ärztin sage ich: Eine solche Schieflage ist ungesund für die Republik.“ In den vergangenen Monaten habe es unter Türkis-Blau eine „gefährliche Entwicklung“ gegeben, „vor allem in sozialen Fragen“. Da seien Dinge ins Rutschen geraten. Diese „Schieflage“ müsse beseitigt werden. Es gehe ihr nicht darum, sämtliche Maßnahmen rückgängig zu machen, wohl aber bestehe sie auf Korrekturen, etwa bei den Besetzungen der fusionierten Kassen oder beim Familienbonus. „1500 Euro müssen für alle gelten, auch für die Wenigverdiener im Wege einer Negativsteuer.“


Realistisch ist eine Rückkehr in die Regierung nur über eine Koalition mit der ÖVP unter Sebastian Kurz. Ob das überhaupt vorstellbar sei angesichts der sich zuspitzenden Feindseligkeiten inklusive Misstrauensantrag? „Stolz und Hass sind Befindlichkeiten, die muss man überwinden“, erklärt die SPÖ-Chefin. Die Gesprächsbasis zwischen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und ihr sei trotz der Belastungsproben intakt. „Das Du hat gehalten.“


Der stärkste Gegenwind weht der roten Spitzenkandidatin aus den eigenen Reihen entgegen. Den nimmt sie gar nicht zur Kenntnis: „Die Stimmung ist gut.“ Das anfängliche „bedauernde Seufzen“ in den Gesprächen draußen, die Fragen, warum sie sich das alles antue, das höre sie jetzt nicht mehr. Mit Widrigkeiten habe sie umgehen gelernt. Rendi-Wagner vergleicht die Hürden mit ihrer ersten Zeit als junge Ärztin, als die Patienten den männlichen Pfleger oft für den Arzt und sie für die Pflegerin gehalten hätten. Auch das habe sie durch beharrliche Gespräche mit den Betroffenen irgendwann hinbekommen.


Kraft, sich von trüben Prognosen oder lauten Zweifeln nicht entmutigen zu lassen, schöpft sie aus einer persönlichen Begegnung mit einem Idol aus Kindheitstagen. Bei der Weinkost der Kleinen Zeitung hat Rendi-Wagner die Skilegende Franz Klammer kennengelernt. Das Gespräch mit ihm werde sie nicht vergessen, auch wegen des „unbändigen Siegeswillens“, von dem er noch immer beseelt sei und den er mit Ratschlägen auf sie übertragen habe: „Wenn du am Start stehst, darfst du nur das Ziel vor Augen haben. Du musst alles andere, was unterwegs an Ungemach passieren könnte, ausblenden“.


Dass sie im Zusammenhang mit der Debatte über Parteispenden die Rolle des Rechnungshofs bei Prüfungen infrage gestellt habe, diesen Vorwurf will sie nicht auf sich sitzen lassen. Allerdings räumt sie ein, dass die jetzige Regelung noch verbesserbar sei. Warum die SPÖ dem Vorschlag dann überhaupt zugestimmt habe? „Ich wollte keinen Schnellschuss.“ Sie trete dafür ein, dass Experten Vorschläge für eine Neuregelung der Parteifinanzierung ausarbeiten.

Wider den moralischen Zeigefinger

Gestärkt fühle sie sich durch interne Umfragen, die der SPÖ eine leicht steigende Tendenz in Richtung 25 Prozent und der ÖVP eine leicht fallende in Richtung 35 Prozent anzeigen. Das Comeback der Grünen, die auf den Klimawandel setzen und SPÖ-Stimmen im Auge haben, kommentiert Rendi-Wagner: „Es kann nicht Aufgabe der Politik sein, mit dem moralischen Zeigefinger den Menschen zu sagen, dass sie nicht dem Auto fahren sollen, aufs Fliegen verzichten, kein Fleisch essen sollen. Aufgabe der Politik ist es, für die Rahmenbedingungen zu sorgen.“

Das Gespräch führten Claudia Gigler, Michael Jungwith und Hubert Patterer.