Auf den ersten Blick sah es wie eine gezielte Provokation aus. Matteo Salvini, das Enfant terrible der italienischen Innenpolitik und in der Zwischenzeit populärster Politiker seines Landes, war sich letzten Freitag bei der Sitzung der europäischen Innenminister in Wien mit seinem Luxemburger Amtskollegen Jean Asselborn in die Haare geraten. Solche Dispute hinter verschlossenen Türen sind keine Seltenheit. Was aber völlig unüblich war: Salvini veröffentlichte ein Video des Krachs auf seiner Facebook-Seite. Gezielte Provokationen gehören an sich zum Markenkern rechtspopulistischer Bewegungen.

Der Tabubruch war nach Auskunft von Diplomaten durchaus ein Thema in den Couloirs von Salzburg. Befeuert durch die Kritik des Luxemburger Premiers Xavier Bettel am österreichischen EU-Vorsitz („Ich hätte erwartet, dass Österreich sagt, dass das nicht geht“) wurden vereinzelt Stimmen laut, dass man neue Regeln finden müsste. „Es ist weitgehend ungeregelt“ berichtet ein EU-Diplomat. „Es gibt keine Regeln, was Minister im Saal dürfen. Man darf davon ausgehen, dass die Vertraulichkeit gewahrt bleibt.“ Anders als der legendäre Hans-Peter Martin, der mit einer Knopflochkamera verdeckt das Treiben im EU-Parlament gefilmt hatte, wollte Salvini nur seine eigene Wortmeldung mitschneiden, einer seiner Mitarbeiter nahm es per Handy auf.

Asselborn kam erst ins Spiel, weil er Salvinis Ausführungen wiederholt empört unterbrach. „Merde alors“ (Scheiße nochmal) quittierte der Luxemburger die Wortmeldung und knallte den Kopfhörer auf den Tisch. „Er hat mich gezielt in die Falle gelockt“, klagte Asselborn am Tag danach.

Ob hinter dem Manöver Absicht stand, ist fraglich. Sieht man sich Salvinis Facebook-Seite an, fällt auf, dass dieser fast jeden Auftritt von einem Mitarbeiter mitfilmen lässt, etwa auch die Ankunft vor dem Büro von FPÖ-Chef Strache, wo ihn Generalsekretär Vilimsky überschwänglich begrüßt („Wir freuen uns wahnsinnig, dass er hier ist“).

Für die Medien existieren bei EU-Treffen klare Regeln. Zum Auftakt der Sitzung werden Kameraleute in den Saal gelassen, allerdings müssen die Mikrofone ausgeschaltet sein. Wenn die Türen geschlossen werden, beginnt der vertrauliche Teil. Wenn sich Sitzungsteilnehmer wie Salvini nicht an diese Vertraulichkeit halten, wird es schwierig. „Wir können ja beim Gipfel nicht den Regierungschefs die Handys abnehmen, um zu verhindern, dass sie sich gegenseitig filmen“, meint ein Diplomat scherzend.

Dass die Vertraulichkeit von internen Aussprachen gewahrt bleibt, ist im Regelfall im Interesse der Beteiligten. Aus der Norm fiel zuletzt Griechenlands Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis, der von einem informellen EU-Treffen in Riga Tonaufnahmen gemacht hatte. Bettel verabschiedete sich gestern von den Journalisten spöttisch: „Der italienische Ministerpräsident war mein Nachbar. Er hat nicht gefilmt.“