Wer im Palais Modena in der Wiener Innenstadt ein- und ausgeht und dieser Tage bei Innenminister Herbert Kickl vorbeischaut, wird beim Hinaufschlendern über die Feststiege stutzig. Da wurde doch der ziemlich abgewetzte, rote Teppich durch einen blauen Teppich ersetzt - in einem Blaustich, der jenem der FPÖ ähnlich ist. Im Haus weist man dies zurück, das seien doch die Farben der EU. Im jetzigen Innenministerium saß einst Metternichs Zensurbehörde.

Solche Umfärbungsaktionen kennt man aus anderen Häusern. Im Büro des Wiener Bürgermeisters sind die Toiletten im SPÖ-Rot gehalten. Umfärbungen und Umstrukturierungen nach einem Regierungswechsel haben in Österreich eine lange Tradition, damit ließen sich Bände füllen. Kickl muss sich aber die Frage gefallen lassen: Hat er als Innenminister über das Ziel hinausgeschossen?

Mehr als zwölf Jahre war Kickl Generalsekretär der FPÖ, diese Phase hat ihn ideologisch, politisch, persönlich tief geprägt - bis in die Gegenwart hinein. Fast jede Maßnahme, die der Innenminister Maßnahmen ergreift, wird mit dem „subjektive Sicherheitsgefühl der Österreicher“ begründet. So brachte etwa die umstrittene Grenzschutzübung in Spielfeld keinen polizeitaktischen Erkenntnisgewinn. Sie diente nur einem einzigen Zweck: Es sollten die richtigen Bilder entstehen, damit sich an den Stammtischen zwischen Boden-, Wörther- und Neusiedlersee die Erkenntnis festsetzt, unter blauer Regierungsbeteiligung würde sich eine Flüchtlingswelle wie 2015 garantiert nicht wiederholen. Wenn Kickl Polizeipferde bestellt, in Wien Radler-Razzien veranlasst, Radar-Schikanen beseitigt, den „Puma“ von der Leine lässt, werden stets die Sorgen der Bevölkerung als Motiv ins Treffen geführt.

"Trutzburg-Gedanke"

Nicht minder tief hat sich beim ehemaligen Generalsekretär die Ansicht eingebrannt, dass man als Freiheitlicher in der Politik, in den Ministerien, in den politischen Zirkeln, den Medien ausschließlich von Gegnern umgeben ist, die einem FPÖ-Politiker nicht wohl gesinnt sind und diesen am glatten Parkett ausrutschen lassen wollen. Am ersten Tag seiner Amtszeit setzte Kickl mit Peter Goldgruber einen engen Vertrauten als Generalsekretär an der Spitze des 17 Jahre lang schwarz dominierten Innenministeriums. Nicht wenigen blauen Politiker ist dieser Trutzburg-Gedanke eigen, der bisweilen paranoide, weltverschwörungsmäßige Züge annimmt. Es gibt freiheitliche Spitzenpolitiker, die ihr Schlafzimmer als Panikraum adaptiert haben und mit der Waffe im Safe schlafen.

In den Laden der innenpolitischen Redaktionen des Landes schlummert seit Langem ein rund 50-seitiges Pamphlet mit abstrusen und weniger abstrusen Vorwürfen gegenüber einem angeblichen ÖVP-nahen Netzwerk im Innenministerium sowie beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). In dem Konvolut werden zahllose Vorwürfe bis hin zur Veruntreuung von Lösegeldern, sexueller Belästigung, unterschlagenen Waffenfunden, Schmiergeldzahlungen erhoben. Im Herbst letzten Jahres hatte die Korruptionsstaatsanwaltschaft die Anschuldigungen geprüft, aber nicht genügend Anhaltspunkte für eine Anklage gefunden.

Dieses Konvolut war der Ausgangspunkt für die umstrittene Razzia am 28. Februar beim BVT. Die dem freiheitlichen Gemeinderat Wolfgang Preiszler unterstellte „Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität“ hat die Amtsräumen am Wiener Rennweg auf den Kopf gestellt und dabei eine ruppige Vorgehensweise an den Tag gelegt. Preiszler soll bei Widerspenstigkeit mit Gewalt gedroht haben. BVT-Chef Peter Gridling bestätigte, dass man ursprünglich den BVT-Server mitnehmen wollte, man davon Abstand genommen habe.

Dass das Büro des Innenministers wesentlich zur Razzia beigetragen hat, leugnet nicht einmal Kickl. Als Chef einer Behörde sei er „verpflichtet“, solchen Vorwürfen nachzugehen und allenfalls die Justiz einzuschalten. Die entscheidende Frage ist allerdings eine andere: Was waren die Beweggründe für die Razzia? Ging es tatsächlich nur darum, schwarze Schafe aufzuspüren? Oder gab es auch politische Motive?

In den ersten Wochen machte das Gerücht die Runde, der Innenminister wollte die Abteilung gegen Rechtsextremismus ausheben, angeblich sei das Liederbuch, das FPÖ-Spitzenkandidat Landbauer den Kopf gekostet hatte, aus dem BVT an die Medien gespielt worden. Das „Profil“ hat jetzt einen Aktenvermerk der Staatsanwaltschaft publiziert, wonach Goldgruber erklärt habe, er habe von Kickl „den Auftrag erhalten, im Innenministerium aufzuräumen.“ Tatsächlich fütterte Goldgruber vor der Razzia die Justiz mit Material, Mitarbeiter des Ministers gingen in der Staatsanwaltschaft ein- und aus. Christian Pilnacek, der Chefjurist im Justizministeriums, sprach intern denn auch von einem „Skandal“. Die „Dringlichkeit“ einer Razzia sei nicht gegeben.

In der Zwischenzeit macht die Vermutung die Runde, Kickl und Goldgruber hätten die Razzia angestoßen, um unliebsame Personen wegzubekommen, das Haus umzufärben und das Ministerium in den Griff zu bekommen. Gespeist aus der blauen Denke, dass man nur von Gegner umgeben sei. Nach dem Sommer wird der U-Ausschuss der Frage nachgehen.