Eine Woche nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Südukraine ist die Zahl der Hochwasser-Opfer weiter gestiegen. Die Behörden auf der ukrainisch kontrollierten Seite der Region Cherson meldeten am Dienstag 10 Tote und 20 Verletzte. 42 Menschen würden noch vermisst, teilte der Chef der Chersoner Militärverwaltung, Olexander Prokudin, auf Telegram mit. Am Montag hatten die ukrainischen Behörden noch von sechs Todesopfern gesprochen.

Desaströse Trinkwasserversorgung

Durch den gesunkenen Wasserstand im Kachowka-Reservoir liegt nun auch der Krim-Kanal, der für die Trinkwasserversorgung der russisch besetzten Krim vorgesehen ist, im Trockenen. Auch die Regionen Dnipro, Saporischschja, Cherson und Mykolajiw werden für "mindestens ein Jahr" unter Wasserknappheit zu leiden haben, sagte Ihor Syrota, Generaldirektor des Kraftwerksbetreibers Ukrhydroenergo, auf Radio Svoboda, wie Ukrinform am Dienstag berichtete.

Auch am von Moskau kontrollierten Südufer des Flusses Dnipro stieg die Zahl der Toten den Angaben der russischen Besatzer zufolge von 8 auf 17. Da die besetzten Orte besonders schlimm von den Hochwassern betroffen sind, wird allerdings befürchtet, dass es in Wirklichkeit noch deutlich mehr Opfer gibt.

Durch ukrainische Rettungsaktionen wurden offiziellen Angaben zufolge bisher 2757 Menschen in Sicherheit gebracht, darunter 263 Kinder. In 133 Fällen sei es ukrainischen Helfern gelungen, Bewohner von der besetzten Flussseite zu retten. Prokudin warf den russischen Besatzern vor, zu wenig für die Rettung der Zivilisten in okkupierten Flutgebieten zu tun.

Moskau dementiert erneut alles

Der große Staudamm in der Stadt Nowa Kachowka war am vergangenen Dienstag zerstört worden. Anschließend strömten riesige Wassermassen aus dem angrenzenden Stausee aus und überschwemmten zahlreiche Orte, darunter auch die Gebietshauptstadt Cherson. Die Ukraine, die sich seit mehr als 15 Monaten gegen einen russischen Angriffskrieg verteidigt, wirft Russland vor, das Bauwerk gesprengt zu haben. Moskau dementiert das. Die Situation ist vielerorts weiter katastrophal. Zugleich begann der Wasserstand etwas zu sinken. In der Stadt Cherson etwa lag er laut offiziellen Angaben am Dienstagvormittag noch bei 2,9 Metern. Ungefähr zur selben Zeit am Vortag waren es noch 3,29 Meter gewesen.

Im nassen Schlamm des nun zu drei Viertel entleerten Staubeckens kommen auch immer mehr Kriegsrelikte zum Vorschein, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Neben Überresten von russischen S-300-Raketen würden etwa auch menschliche Skelette gefunden. Eines davon mit einem Helm, "der jenen von Nazisoldaten ähnle", wie ein Video der ukrainischen Nachrichtenagentur Unia am Sonntag zeigte. Das weckt auch Erinnerungen daran, dass bereits 1941 sowjetische Soldaten auf dem Rückzug den damaligen Dnipro-Staudamm bei Saporischschja gesprengt hatten, um das deutsche Vorrücken zu verlangsamen.