Deutschlands Kanzler reist – und schweigt. Olaf Scholz (SPD) wird am Freitag zum zweiten Mal von US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus empfangen. Es gibt viel Gesprächsbedarf, insbesondere mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Unterstützung des Westens für Kiew. In den vergangenen Monaten war immer wieder der Eindruck von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Partnern entstanden, da ist ein Vieraugengespräch sicherlich hilfreich.

Zumindest nach Außen aber wird der Bundeskanzler sich verschlossen geben: Entgegen der Gepflogenheiten nimmt Scholz weder Journalisten aus Berlin mit nach Washington, noch plant er eine Pressekonferenz. Der Kanzler wolle die Zeit im Weißen Haus "möglichst brutto nutzen", sagte sein Sprecher Steffen Hebestreit zur Begründung. Ein Hinweis auf mögliche Probleme in den transatlantischen Beziehungen sei dies aber nicht.

"Enger und vertrauensvoller denn je"

Scholz selbst sagte am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag: "Ein Jahr Zeitenwende, das heißt auch: ein Jahr transatlantische Partnerschaft – enger und vertrauensvoller denn je." Er werde jetzt mit Biden sprechen, um "unsere enge Abstimmung fortzuführen".

Dabei hatte es zwischen Berlin und Washington unter anderem beim Thema Kampfpanzer für die Ukraine geknirscht – und erst vor wenigen Tagen riss Bidens nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan kaum verheilte Wunden auf. Sullivan sagte am Sonntag in einem Fernsehinterview mit überraschender Offenheit, die USA hätten der Ukraine nur Kampfpanzer vom Typ Abrams zugesagt, weil Deutschland sonst keine Leopard-2-Panzer bereitgestellt hätte.

Berlin bestreitet US-Darstellung

Das Thema hatte im Jänner für transatlantische Verstimmungen gesorgt. Medienberichten zufolge hatte Scholz Biden in einem Telefonat klargemacht, dass Deutschland nur dann Leopard-2-Panzer liefern wird, wenn die USA der Ukraine Abrams-Kampfpanzer zur Verfügung stellt, die Washington im Ukraine-Krieg eigentlich für militärisch ungeeignet hält.

Berlin bestritt diese Darstellung: Es habe zu keinem Zeitpunkt eine solche Verknüpfung geben, sagte Regierungssprecher Hebestreit. Die US-Seite war aber alles andere als begeistert, dass es öffentlich so wirkte, als werde sie von Deutschland unter Druck gesetzt.

Sullivan klang nun so, als hätte Biden einen störrischen Partner in die richtige Richtung geschubst. "Die Deutschen haben dem Präsidenten gesagt, dass sie nicht bereit sind, diese Leoparden in den Kampf zu schicken (...), bis der Präsident zustimmt, Abrams zu schicken", sagte Bidens oberster Sicherheitsberater im Sender ABC. "Der Präsident hat gesagt: 'Okay, ich werde der Anführer der freien Welt sein. Ich werde in Zukunft Abrams schicken, wenn ihr jetzt Leoparden schickt.'"

"Unzufriedenheit" über das deutsche Vorgehen

Der Panzer-Disput dürfte auch beim Treffen zwischen Scholz und Biden Thema sein. Die US-Regierung werde dabei ihre "Unzufriedenheit" über das deutsche Vorgehen deutlich machen, sagt Jörn Fleck von der Denkfabrik Atlantic Council. Grundsätzlich aber seien beide Regierungen bei der "bedeutenden Unterstützung für die Ukraine" weitgehend auf einer Linie. "Beide verstehen, dass es keine Alternative zu einer Unterstützung der Ukraine gibt. Zugleich sind beide vorsichtig – in den Augen mancher zu vorsichtig – angesichts einer möglichen Eskalation mit Russland."

Jeffrey Rathke, der Präsident des Amerikanischen Instituts für deutsche Gegenwartsstudien (AICGS) in Washington, sagt, der Panzerstreit habe gezeigt, dass Differenzen zwischen den USA und Deutschland "überbrückt werden können, aber dass das in manchen Fällen nur auf höchster Ebene möglich ist". "Das gibt dem Treffen zwischen Scholz und Biden eine erhöhte Bedeutung."

Enge Abstimmung nötig

Fleck sagt, die Lehren aus dem Panzerstreit könnten helfen, ähnliche Konflikte in Zukunft zu vermeiden. Denn eine enge Abstimmung zwischen Berlin und Washington im Ukraine-Krieg wird auf absehbare Zeit weiter von größter Wichtigkeit sein, etwa bei der Umsetzung der Panzerlieferungen, bei anderen Waffenhilfen, bei der Frage einer möglichen künftigen Lieferung von Kampfflugzeugen und im Umgang mit China, das in dem Krieg eine zunehmend wichtige Rolle spielt.

"Für dieses Weiße Haus führen die meisten Wege nach Europa durch Berlin", sagt Fleck. "Für Scholz und sein Kanzleramt führen alle Wege der Unterstützung für die Ukraine durch Washington."