Die Nato hat Russland im Fall eines Einsatzes von Massenvernichtungswaffen im Ukraine-Krieg mit harten Konsequenzen gedroht. "Jegliche Verwendung chemischer oder biologischer Waffen durch Russland wäre inakzeptabel und würde schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen", heißt es in der am Donnerstag in Brüssel veröffentlichten Abschlusserklärung des Nato-Sondergipfels. Ähnlich hatte sich zuvor bereits US-Präsident Joe Biden geäußert.

"Maßnahmen, auch zum Selbstschutz"

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg fügte nach dem Gipfel hinzu, die Militärführung habe auch für das Bündnisgebiet die Abwehr gegen mögliche Angriffe mit chemischen, biologischen oder sogar Atomwaffen aktiviert. "Wir ergreifen Maßnahmen, um die Ukraine zu unterstützen, aber auch zum Selbstschutz", sagte Stoltenberg.

Die USA und ihre Verbündeten wollen ihre Waffenlieferungen an die Ukraineindes ausweiten: Nach Angaben einer hochrangigen US-Vertreterin sprachen die Nato-Mitgliedstaaten am Donnerstag beim Sondergipfel in Brüssel erstmals über die Lieferung von Anti-Schiffs-Raketen an Kiew. Es müssten aber noch technische Details geklärt werden, hieß es. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die Nato in einer Videoansprache um uneingeschränkte Militärhilfe gebeten, insbesondere um Kampfjets und Panzer.

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Die von Russland angegriffene Ukraine hat bei der Nato mindestens 200 Panzer angefordert. "Sie haben mehr als 20.000 Panzer. Die Ukraine hat um ein Prozent gebeten", sagte Präsident Selenskyj am Donnerstag bei einer Videoschaltung zum außerordentlichen Nato-Gipfel in Brüssel. Kiew würde sie auch kaufen. "Wir haben bisher keine klare Antwort", meinte der 44-Jährige. Ähnlich sehe es bei den angeforderten Flugzeugen und Abwehrsystemen für Raketen aus.

Scharfe Schelte für China

Eine US-Vertreterin sagte, viele der Staats- und Regierungschefs der 30 Nato-Länder hätten sich in der Debatte dafür ausgesprochen, China im Ukraine-Krieg zur Verantwortung aufzurufen. Demnach wollen die Alliierten Peking ermahnen, "Russland nicht in seinem Angriff auf die Ukraine zu unterstützen" und seiner Verantwortung als Mitglied des UN-Sicherheitsrates gerecht zu werden. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte China vor dem Gipfel vorgeworfen, Russland im Ukraine-Krieg mit "himmelschreienden Lügen" zu unterstützen. Peking wies dies seinerseits als "Desinformation" zurück.

Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine will die Nato ihre Kampfeinheiten in den östlichen Bündnisländern verstärken. Die früheren Sowjetrepubliken befürchten, sie könnten von Russland als Nächstes ins Visier genommen werden, da Präsident Wladimir Putin sie als Teil der russischen "Einflusssphäre" betrachtet. Am Nato-Sondergipfel am Donnerstag wollen die Staats- und Regierungschefs laut Generalsekretär Stoltenberg vier neue Gefechtsverbände auf den Weg bringen.

Russland stelle nach Ansicht von Stoltenberg derzeit keine akute Gefahr für Alliierte dar. "Wir sind das stärkste Bündnis der Welt", sagte der Norweger am Donnerstag am Rande des Nato-Sondergipfels zum Ukraine-Krieg. "Solange wir zusammenstehen, sind wir sicher." Gleichzeitig warnte er vor einem Einsatz von Chemiewaffen in der Ukraine. Die chemischen Kampfstoffe könnten sich dann auch auf Nato-Territorium ausbreiten, sagte der Norweger.

Resolution angenommen

Die Vollversammlung der Vereinten Nationen hat eine Resolution zur humanitären Situation in der Ukraine mit großer Mehrheit angenommen. 140 Länder in dem größten UNO-Gremium mit 193 Mitgliedern stimmten am Donnerstag für den von der Ukraine eingebrachten Text. 38 Länder enthielten sich, nur 5 Länder stimmten gegen den Beschluss, der sich deutlich gegen Russland richtete: Neben Aggressor Moskau waren das Syrien, Weißrussland, Nordkorea und Eritrea.

Die Resolution verlangt unter anderem "eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten der Russischen Föderation gegen die Ukraine, insbesondere aller Angriffe auf Zivilpersonen und zivile Objekte". Moskau müsse seine Streitkräfte unverzüglich aus der Ukraine zurückziehen, Angriffe unter anderem auf Schulen und Krankenhäuser müssten aufhören. Auch wird Sorge vor einer globalen Hungerkrise wegen des großen Anteils von Getreideexporten aus der Ukraine ausgedrückt. Flüchtlinge - insbesondere aus Drittländern - dürften nicht rassistisch behandelt werden.

Während sich die westliche Welt der Resolution quasi lückenlos anschloss, enthielten sich wichtige Staaten wie China, Indien und der Iran. Für Unruhe hatte zuletzt ein konkurrierender Resolutionsentwurf von Südafrika gesorgt. Der Text war deutlich neutraler und erwähnte Russlands Aggression gegenüber der Ukraine mit keinem Wort. Eine Mehrheit in der Vollversammlung lehnte allerdings ab, über diesen Text abzustimmen.

Die nun angenommene Resolution ist aus Sicht der Gegner Russlands auch dafür gedacht, den Druck auf Moskau zu erhöhen. Ob sich durch die humanitäre Resolution - die in einigen Teilen derjenigen von vor einigen Wochen sehr ähnelt - die Hilfe im Krisengebiet vor Ort verbessert wird, bleibt fraglich. Die Vereinten Nationen betonten am Mittwoch, dass sie auch ohne den offiziellen Beschluss Hilfsgüter in die Ukraine bringen können. Eine Resolution in der Vollversammlung ist - anders als im mächtigeren Sicherheitsrat - völkerrechtlich nicht bindend.