Der Internationale Strafgerichtshof ermittelt gegen den russischen Präsidenten: Die Handlungen von Wladimir Putin und seinen Mittätern erfüllen den Tatbestand des Verbrechens der Aggression, das als Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Ausführung einer Angriffshandlung in Verletzung der UN-Charta definiert ist. Auch die Zurverfügungstellung des Hoheitsgebietes eines Staates für Angriffshandlungen eines anderen Staates, wie es der weißrussische Machthaber Alexander Lukaschenko getan hat, gehört dazu.

Die Möglichkeiten sind beschränkt

Im "Römischen Statut" des Internationalen Strafgerichtshofs ist die Aggression eines der vier verfolgbaren Verbrechen. Im Zuge des russischen Angriffs werden auch immer mehr Verbrechen gegen die Menschlichkeit dokumentiert:

Vertreibung oder Verfolgung sowie Kriegsverbrechen wie große Zerstörungen ohne militärische Notwendigkeit und vorsätzliche Verursachung großer Leiden der Zivilbevölkerung etwa durch den Einsatz von Streumunition sowie der Angriff auf zivile Ziele wie Krankenhäuser, Bildungseinrichtungen oder Wohnhäuser. Vorwürfe eines Völkermordes werden in einem Verfahren der Ukraine gegen Russland vor dem Internationalen Gerichtshof verhandelt. Die Möglichkeiten Putin vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag anzuklagen sind unterdessen beschränkt.



Russland ist dem Römischen Statut (wie übrigens auch die Ukraine) nie beigetreten. Die Ukraine hat aber 2013 Erklärungen abgegeben, wonach sie die Zuständigkeit des Gerichts für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen anerkennt. Die aktuelle Aggression durch Russland ist damit nicht erfasst.

Russlands Veto

Der UNO-Sicherheitsrat ist durch das Vetorecht des ständigen Mitglieds Russland daran gehindert, den Fall anhängig zu machen. Im Falle Myanmars hat der Gerichtshof 2019 die gewalttätige Vertreibung einer großen Zahl von Personen der Zivilbevölkerung nach Bangladesch durch das Regime als Grundlage für Ermittlungen anerkannt. Was hier als Ansatzpunkt jedoch nicht benötigt wird.

Karim Khan, der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes, hat auf Empfehlung von 39 Vertragsparteien bereits Ermittlungen zu allfälligen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeleitet. Über eine Anklage müsste das Gericht entscheiden.

Freilich würde selbst eine Anklage wenig bewirken, solange Putin in Russland geschützt ist, wobei er sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof auch als Staatspräsident nicht auf Immunität berufen könnte.

Wolfgang Benedek ist Professor für Völkerrecht im Ruhestand an der Universität Graz.