Es erinnert ans biblische Nadelöhr, das Foyer des Mount Scopus Spitals im umstrittenen Ostjerusalem, hart an der Grenze zum Westjordanland. Es ist eine Art Seuchenschleuse, die die klassischen Gemütskrankheiten des Nahen Ostens, Hass, Misstrauen, Rassismus draußen hält. Wer hier durchkommt, landet in einer Zone des Miteinander und Füreinander. Orthodoxe Juden, Palästinenser, islamische Kopftuchträgerinnen, säkulare Israelis kommen hierher, um Behandlung zu finden. Von Ärztinnen und Ärzten, die ebenso allen Ethnien angehören. Krankheit und Medizin schlagen hier Brücken zwischen den Unversöhnlichen. So sind beispielsweise der Chefchirurg und der Biochemiker im Mount Scopus Palästinenser.

Zweitgrößter Arbeitgeber

"Wir können nicht den ganzen Nahen Osten ändern, aber die Stimmung zwischen unseren Patienten," sagt Dr. Chaim Brautbar, ein Immunologe, der gemeinsam mit der Palästinenserin Amal Bishara die erste Markspender-Datei für Araber aufbaut. Hadassah, 1912 als zionistische Frauenbewegung gegründet, betreibt heute in Jerusalem zwei Spitäler und fünf Akademien. Mit 5000 Angestellten ist sie der zweitgrößte Arbeitgeber in der israelischen Hauptstadt und eine jener Institutionen, die den Glauben an eine Restvernunft in dieser Region am Leben hält.

300.000 nicht nur jüdische Mitglieder, vor allem in den USA, haben allein in den letzten zehn Jahren rund 800 Millionen Dollar für Hadassah aufgebracht. Aber auch die österreichische Kahane-Stiftung spendet reichlich: Mit ihren Geldern wurden zuletzt zwei Neurochirurgen für das palästinensische Ramallah ausgebildet.

Mehrere Nobelpreise

Auch Forschung ist ein vitaler Unternehmenszweig von Hadassah. Sie hat mehrere Nobelpreisträger hervorgebracht und die derzeitigen genetischen Studien im Hadassah-El-Karem-Spital finden weltweite Beachtung. Bizarrerweise bieten die oft innerfamiliären Heiraten von ultraorthodoxen Juden und deren Kinderreichtum eine ideale Forschungsgrundlage.

Manchmal züngelt das Feuer des Krieges bis ins Friedensreich von Hadassah: Ein Pulmologe erzählt von einem Palästinenser-Jungen, dem er erfolgreich eine Lunge transplantiert hatte. Wenige Wochen später wurde Gaza bombardiert. Im Rauch der Panzer und Granaten erstickte der kleine Rekonvaleszent fast: "Es war verrückt, per Telefon gab ich dem Vater Tipps, wie er meinen Patienten vor meinen Leuten schützen und durchbringen könnte". Doktor Eitan Kerem, Chefarzt des Mount Scopus, bringt es auf den Punkt: "Unser Feind sind die Krankheiten, nicht die Menschen". So einfach könnte es sein, in diesem komplizierten Land.