Wie ein Paukenschlag hatte die Rede von Mahmoud Abbas die Vereinten Nationen im September vorigen Jahres wachgerüttelt. Soeben habe er einen Antrag auf UN-Vollmitgliedschaft für Palästina eingereicht, verkündete der Präsident unter dem Applaus seiner Unterstützer. Ein Jahr später - der erste Antrag ist längst im Sicherheitsrat versandet - startete Abbas am Donnerstag in New York einen neuen Anlauf. Diesmal wollen die Palästinenser nur einen besseren UN-Status als Beobachterstaat. Abbas bekam freundlichen Applaus, aber der Paukenschlag blieb aus. Andere Themen dominieren die diesjährige Vollversammlung wie der Atomstreit mit dem Iran.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sprach kurz nach Abbas. Während seiner Rede zeichnete er demonstrativ eine rote Linie auf eine gemalte Bombe, die er auf einem Plakat mitgebracht hatte - um die Bedrohung durch den Iran und ihren Stellenwert für Israel deutlich zu machen. Netanyahu wirbt wie zuvor für "rote Linien", die dem iranischen Atomprogramm gesetzt werden sollen. Eine Überschreitung würde dann zu einem Militärschlag führen, befürchten Kritiker.

Auch Abbas bemühte sich, den Delegierten ins Gewissen zu reden. "Wer immer uns auch rät, zu warten, muss sich bewusst werden, dass die schwärende Situation in unserem Land und unserer Region ihre eigene Zeitrechnung hat und dass sie nicht weiter verschoben werden oder ganz unten auf der globalen Agenda bleiben kann", sagte er mit deutlichem Seitenhieb auf die USA, die die Vollmitgliedschaft verhindert hatten. "Es eilt." Das sei vielleicht die letzte Chance für eine Zwei-Staaten-Lösung. Noch in dieser Sitzungsperiode der Vollversammlung solle über den Antrag auf den höheren Status abgestimmt werden. Das wäre bis September 2013. Das Datum ist mit Bedacht gewählt. Abbas wollte US-Präsident Barack Obama während des Wahlkampfes nicht brüskieren.

Euphorie löste Abbas mit seiner Ankündigung nicht aus - zu beschäftigt ist die internationale Staatengemeinschaft mit blutigen Konflikten wie dem in Syrien und bedrohlichen Szenarien, wie sie der Atomstreit mit dem Iran erahnen lässt. Zu wenige wissen auch, warum eine Nichtmitgliedschaft mit Beobachterstatus für die Palästinenser so immens wichtig ist. Das Wort "Staat" im Status alleine gilt als Aufwertung und weiterer Schub für das 2011 als Vollmitglied in die UNESCO aufgenommene Palästina. Aus Sicht von Völkerrechtlern käme dies indirekt einer Anerkennung der Staatlichkeit Palästinas gleich. Aber wie sich ein solcher Status im UN-Alltag auswirken würde, weiß niemand so genau, denn derzeit hat ihn nur der Vatikan.

Palästina aber dürfte bei einer Statusaufwertung sein neues Label ambitioniert ausbauen wollen. In jedem Fall dürfte es in Debatten der Vollversammlung eingreifen und hätte die Möglichkeit, in weitere UN-Organe und den Internationalen Gerichtshof hineinzugelangen. Gerade der Internationale Strafgerichtshof ist den Palästinensern besonders wichtig, könnten sie dort doch Klagen gegen Israel einbringen.

Auf den Friedensprozess dürfte sich der neue Anlauf allerdings eher negativ auswirken. Israel hatte immer wieder betont, dass eine Aufnahme Palästinas - in welcher Art auch immer - in die Vereinten Nationen alle Absprachen verletze und Ministerpräsident Netanyahu reagierte dann auch entsprechend verärgert. "Beleidigende Reden bei den Vereinten Nationen werden unseren Konflikt nicht lösen", sagte er in seiner Rede an Abbas gewandt. Frieden werde es nur geben, wenn israelische und palästinensische Vertreter "zusammensitzen, verhandeln und einen Kompromiss finden". Dafür müsse es aber einen "entmilitarisierten palästinensischen Staat geben, der den einen und einzigen jüdischen Staat anerkennt".