Bereits um 18.15 Uhr haben sich die Spitzen von CDU und CSU in Deutschland einmal geschüttelt und überspielen die herbe Enttäuschung über die Wahlniederlagen im Bund, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern: Erst tritt CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und später in München CSU-Generalsekretär Markus Blume vor die Kameras. Und es wird klar, welchen Weg CDU und CSU nun gehen wollen - sie bestehen trotz der deutlichen Verluste auf eine Regierungsbildung.

Es gehe darum, eine "Zukunftskoalition" auszuloten, sagt Ziemiak und meint damit ein Jamaika-Bündnis mit Grünen und FDP. Kurz vor 19.00 Uhr folgt dann Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet im Konrad-Adenauer-Haus, umringt von fast der gesamten CDU-Spitze und Kanzlerin Angela Merkel. Auch seine Mission ist klar: Trotz der Wahlniederlage will die Union das Kanzleramt besetzen. Erstmals brandet unter den zuvor deutlich geschockten CDU-Anhängern in der Parteizentrale Applaus auf. Denn egal ob die Union an dem Wahlabend als Erster oder Zweiter ins Ziel geht: "Bundeskanzler wird der, der im Deutschen Bundestag genau diese Gegensätze überwindet, eine Mehrheit findet der jetzt gewählten Abgeordneten", betont Laschet.

Dabei ist der Absturz der Union historisch. Die CDU erzielte im Bund am Sonntag das schlechteste Ergebnis der deutschen Nachkriegsgeschichte, stürzte bei den Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern auf neue Tiefststände. Es sei klar gewesen, dass es nach dem Abgang von Angela Merkel als Kanzlerin nach 16 Jahren schwer werden würde, meint Laschet - und will damit auch seinen eigenen Anteil an den deutlichen Verlusten herunterspielen.

Aber der von Laschet-Gegnern seit Tagen angeraunte Aufstand am Wahlabend bleibt aus. Das liegt nach Angaben aus der Parteiführung nicht nur daran, dass die Union in den letzten zwei Wochen zur SPD aufgeholt und damit nach dem Umfragen-Absturz wieder etwas Selbstbewusstsein gezeigt hatte. Auch CSU-Chef Markus Söder, der noch vor wenigen Wochen Laschets "Schlafwagen-Wahlkampf" kritisiert hatte, lobt nun die "tolle Aufholjagd" und macht nur Minuten nach Laschet klar, dass beide auch nach dem Wahltag an einem Strang ziehen werden.

Die letzten Wochen und die schlechten Umfragewerten von Laschet und der Union hatten beide in der Kanzlerkandidatur zerstrittenen Schwesterparteien gleichermaßen geschockt. "Geschlossenheit und Entschlossenheit" seien die Schlussfolgerung gewesen, meint Söder. Denn bei aller Enttäuschung über seine Niederlage bei der Kanzlerkandidatur habe auch der CSU-Chef mittlerweile realisiert, dass er mit Blick auf die nächsten Landtagswahlen in Bayern sehr viel schlechter dastehen würde, wenn die Union nicht mehr das Kanzleramt besetzt, heißt es in der CSU. Das hat Söder in den Wahlkampfkundgebungen der vergangenen Tagen sogar erstaunlich offen bekannt. Vergessen sind plötzlich die Warnungen, dass eine schwache Union FDP und Grünen enorme Zugeständnisse machen müsste. Als Erfolg wird nun schon verkauft, dass kein rot-grünes oder rot-rot-grünes Bündnis möglich zu sein scheint.

Also soll nun versucht werden, FDP und Grünen davon zu überzeugen, lieber mit der Union als mit SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zu koalieren - obwohl der in Umfragen bei der Kanzlerpräferenz deutlich vor dem CDU-Chef liegt. "Das ist die Verfassungslage", wehrt Hessens Ministerpräsident und CDU-Vize Volker Bouffier gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters den Vorwurf ab, die Union habe keine Legitimation. Laschet hat in seiner kurzen Ansprache bereits damit gelockt, dass jeder Koalitionspartner die eigenen wichtigen Projekte durchsetzen können müsse - das klingt nach dem hessischen Koalitionsmodell, in dem Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) den Grünen in den ihnen wichtigen Gebieten viel Freiraum eingeräumt hat. Am Ende, so meint der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte, komme es darauf an, die richtige Erzählung zu finden. Allerdings sei dafür den deutlichen Wahlverlierer Union "eine kommunikative Meisterleistung" nötig, fügte er hinzu.

Wie erwartet rettet die nötige Geschlossenheit von CDU und CSU Laschet zumindest am Sonntag und wohl auch in den kommenden Wochen zunächst den politischen Kopf. Solange Chancen auf eine Regierungsbildung bestehen, müsse er gestärkt werden, heißt es in beiden Unions-Parteien. "Aber warten wir ab, was passiert, wenn er nach der Wahlniederlage auch kein Jamaika-Bündnis zustande bringen sollte", orakelt ein CDU-Bundesvorstandsmitglied. "Denn am Ende zählt in der Union nur eins: Ob wir das Kanzleramt besetzen oder nicht." Egal ob mit einem guten Wahlergebnis oder mit einer cleveren Koalitionsbildung.