Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) trifft am Dienstag in der irakischen Hauptstadt Bagdad mit Staatspräsident Abdul Latif Rashid, Premier Mohammed Shia' al-Sudani und Außenminister Fuad Hussein zusammen. "Wir wollen ein neues Kapitel in den Beziehungen aufschlagen", sagte Schallenberg bereits am Montag auf der Anreise über Doha (Katar) zu österreichischen Medien. Ziel sei "eine Kooperation auf Augenhöhe in den Bereichen Wirtschaft und Sicherheit".

Der Irak habe in der Region diesbezüglich eine "Scharnierfunktion", betonte der Außenminister, er sei daher ein besonders wichtiger Partner. Da es nunmehr wieder eine Botschaft in Bagdad gebe, werde eine neue Ebene erreicht. Die österreichische Vertretung, die 1991 geschlossen worden war, ist bereits seit knapp einem Jahr wieder in Funktion. Aus Sicherheitsgründen ist sie im "Hotel Babylon Rotana" untergebracht. Am Dienstag erfolgt offiziell die feierliche Wiedereröffnung.

Rückübernahmeabkommen

Es sei bereits ein Rückübernahmeabkommen unterzeichnet worden, erinnerte Schallenberg an erste Resultate der verstärkten bilateralen Beziehungen im Bereich Illegale Migration. Damit habe sich die Zahl der Rückführungen von irakischen Staatsbürgern, die in Österreich kein Anrecht auf legalen Aufenthalt haben, in den Irak fast "verzwanzigfacht", rechnete der Außenminister vor, um die Angaben in Folge etwas zu relativeren. Die Zahl der Rückführungen sei von einer Person ("oder zwei") auf 18 gestiegen. Während des Besuchs in Bagdad soll Schallenberg zufolge auch ein "Memorandum of Understanding" im Bereich Polizeikooperation unterzeichnet werden.

Daher wird Schallenberg am späten Nachmittag auch die EU-Unterstützungsmission EUAM im Camp Dublin besuchen. Im früheren US-Militärcamp wurden im Zuge der NATO-Ausbildungsmission (NMI) auch irakische Polizeieinheiten geschult. "Die immer noch fragile Sicherheitslage im Land ist weiterhin Nährboden für Extremismus, Terrorismus und illegale Migration", hatte der Außenminister schon im Vorfeld erklärt.

"Partnerschaft für den Frieden"

Das Bundesheer soll an der NATO-Ausbildungsmission mit bis zu zehn Militärangehörigen beteiligt sein. Das Außenministerium verwies im Zusammenhang mit der Neutralität Österreichs auf das langjähriges Engagement im Rahmen der NATO-Initiative "Partnerschaft für den Frieden". Die völkerrechtliche Grundlage für eine Beteiligung Österreichs an der NMI bildet demnach die Resolution 2249 des UNO-Sicherheitsrats vom 20. November 2015. Darin wurden alle UNO-Mitgliedstaaten aufgefordert, terroristische Handlungen im Irak zu "verhüten und unterbinden". Die Resolution bezog sich damals auf Maßnahmen gegen die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) und ähnliche Gruppierungen im Irak und Syrien.

Prinzipiell ortete der Außenminister eine "positive Entwicklung" im Irak. Er habe schon im Jahr 2011 und 2015 mit seinen Vorgängern Michael Spindelegger beziehungsweise Sebastian Kurz (beide ebenfalls ÖVP) Bagdad und Erbil, die Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak, besucht. Damals sei die Sicherheitslage noch eine ganz andere gewesen, erinnerte sich Schallenberg. "Das Land hat sich stabilisiert."

2003 von Truppen eingenommen

Der Irak war 2003 von US-Truppen eingenommen worden, die den damaligen Machthaber Saddam Hussein stürzten. Nach dem Abzug der amerikanischen Truppen 2011 nutzte aber die jihadistische Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) das militärische Machtvakuum. Auf Bitte der Regierung erfolgte eine erneute amerikanische Intervention. In Zusammenarbeit mit Partnerländern konnte der IS bis 2017 in die Schranken gewiesen werden.

"Wir haben ein Interesse an einem stabilen und geeinten Irak", unterstrich der Außenminister. In den vergangenen Jahren habe die Zentralregierung auch an Durchschlagskraft gewonnen. Das sei auch im Verhältnis zwischen Bagdad und Erbil zu erkennen. Dass nunmehr die Öleinnahmen aus der kurdischen Autonomie "transparent" über die Zentralregierung laufen würden, sei vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen.

Eine solide Regierung in Bagdad sei auch wichtig, um gegen Einflüsse von außen resistenter zu werden, analysierte Schallenberg. "Es ist ein Staat, an dem gezogen und gezerrt wird", skizzierte er die Lage, "aus dem Iran, aus der Türkei." Der Versuch der Einflussnahme des Irans wird auch in den USA kritisch beäugt. Wenn der Staat aber stabil bleibe, sollte es in Zukunft auch für "junge Irakerinnen und Iraker weniger Anreize geben, das Land zu verlassen", resümierte Schallenberg. Derzeit gebe es doch einen beachtlichen "Brain-Drain" zu verkraften.

Breite wirtschaftliche Kooperation

Der Irak beziehe aus Österreich auch Entwicklungshilfe, erinnerte der Minister. In Zukunft sollte es aber vor allem eine breitere wirtschaftliche Kooperation geben. Von 2012 bis 2022 stellte Österreich dem Irak fast 20 Millionen Euro bereit, 2023 belief sich der Beitrag auf 1,5 Millionen Euro. Seit 2017 sank aber die Zahl der Menschen im Land, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, von elf auf 2,5 Millionen. Darunter befinden sich aber 1,1 Millionen Kinder.

20 Jahre nach der US-Invasion hat sich das Leben im Irak bis zu einem gewissen Grad zwar normalisiert, doch gibt es weiterhin miteinander verschränkte Probleme wie politische Instabilität, Armut und Korruption. Schätzungen zufolge dürften dem Staat durch die weit verbreitete Korruption seit 2003 Einnahmen in Höhe von mindestens 350 Milliarden US-Dollar entgangen sein, wie einem Bericht der Wirtschaftskammer (WKO) zu entnehmen ist.

Wirtschaftsfaktor Erdöl

Wichtigster Wirtschaftsfaktor ist der Erdölsektor, der laut WKO rund 95 Prozent der Staatseinnahmen und 98 Prozent der Exporte ausmacht. Damit ist der Irak hinter Venezuela und Saudi-Arabien der drittgrößte Erdölexporteur weltweit und der zweitgrößte unter den OPEC-Staaten. Die Energiekrise im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine führte im Vorjahr zu einer weiteren Steigerung der Ölausfuhren. Allerdings sorgten schwankende Ölpreise auch zu wirtschaftlichen Problemen samt sozialen Folgeerscheinungen.

Schallenberg ortete jedenfalls ein großes Potenzial für wirtschaftliche Kooperation. Er wurde auch von einer zehn Unternehmen umfassenden Wirtschaftsdelegation begleitet. Diese sollen ihre Projekte beim Treffen mit Premier Mohammed Shia' al-Sudani präsentieren.

400 Milliarden Euro

Im Irak könnten in den kommenden Jahren Großprojekte mit einem Volumen von insgesamt 400 Milliarden Dollar schlagend werden, rechnete Schallenberg vor. Davon sollten auch österreichische Firmen profitieren können, etwa in den Bereichen Gesundheit, Telekommunikation oder dem Bau von Verkehrswegen, meinte Schallenberg. Heimische Unternehmen hätten in der Region einen guten Ruf, konstatierte Schallenberg. "Sie tauchen auch einmal schwierige Zeiten durch und bleiben."

Am Mittwoch ist in Erbil ein bilaterales Wirtschaftsforum geplant, da gerade die ölreiche Region Kurdistan-Irak als Handelspartner von großem Interesse ist. Die Handelsbeziehungen mit Österreich sind laut Wirtschaftskammer (WKO) zuletzt gewachsen. Der Mineralölkonzern OMV ist seit 2007 in der irakischen Kurdenregion tätig, und zwar in den Explorationsblöcken Bina Bawi, Shorish und Mala Omar sowie durch eine Beteiligung an der Pearl Petroleum Company Limited (PPCLD). Auch die Fluglinie Austrian (AUA) ist vor Ort präsent und bietet Direktflüge zwischen Wien und Erbil an.

Chancen für österreichische Firmen bestehen der WKO zufolge unter Berücksichtigung der Sicherheitslage vor allem in den Bereichen Infrastruktur, Energiewirtschaft, Landwirtschaft (Bewässerung), Bauwirtschaft (Wohnungsbau) sowie im Gesundheitssektor. Möglichkeiten bieten sich auch in den Sparten Konsumgüter (Lebensmittel und Getränke) und pharmazeutische Waren.