Nun ist auch noch Ludwig Erhard weg. Jahrzehnte säumte eine Büste des ersten bundesdeutschen Wirtschaftsministers und Patriarchen der sozialen Marktwirtschaft sein altes Ministerium. Nun fehlt das Denkmal. Stifter Herbert B. Schmidt, einst Mitgründer des CDU-Wirtschaftsrates, zog die Leihgabe ab. "Man kann Ludwig Erhard nicht mehr zumuten, das alles mitansehen zu müssen, was derzeit im Wirtschaftsministerium passiert", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Was so alles passiert im Haus des Erhard Nachfolgers Robert Habeck (Grüne), war zum Wochenausklang mal wieder in der "Bild"-Zeitung zu erfahren. "Energiewende-Irrsinn" titelte das Blatt und verweis auf Strom, der aus Kohlekraftwerken kommt, während zugleich die AKW im Land abgeschaltet wurden. Die Zeitung macht seit Wochen gegen Habeck mobil.

"Der Heiz-Hammer"

Zentrales Anliegen: "der Heiz-Hammer". So taufte der Boulevard Habecks Pläne, die Energiewende auf den Heizungskeller zu übertragen. 40 Prozent der Klimaemissionen stammen vom Heizen für warme Duschen und wohlige Wohnstuben. Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Da muss auch die Heizung ran. Gebäudeenergiegesetz (GEG) heißt das Vorhaben offiziell. Und das hat es in sich. Von 2024 an sollen nur noch neue Heizungen installiert werden, die zu zwei Dritteln mit Wasserstoff oder anderen klimafreundlichen Brennstoffen bestückt werden können.

Reparaturen bestehender Anlagen sind erlaubt. Ausnahmen für Hausbesitzer über 80 auch. Das ist nicht ohne.

FDP-Chef Christian Lindner erkannte das Potenzial und machte gegen die Regelung mobil. Auch wenn diese formal schon das Kabinett passiert hatte. 101 Fragen wollte die FDP bei Habeck einreichen, ohne deren Beantwortung gehe gar nichts. Grünen-Politiker Habeck, ohnehin geschwächt durch die Affäre um seinen mittlerweile entlassenen Staatssekretär Patrick Graichen, wirkte ratlos. Auch in seiner Kommunikationsstrategie. So unterblieb jeder Verweis darauf, dass die Vorlage für das deutsche Gesetz eine EU-Regelung bildet. Kanzler Olaf Scholz (SPD) stand in der Sache näher bei den Grünen, schwieg aber.

Verheerender Eindruck, nahender Kompromiss

So verfestigte sich der Eindruck, die Ampelkoalition zerlegt sich auf offener Bühne. Verheerend. Seit Freitag hat Habeck die Fragen der FDP beantwortet (es sind letztlich nur 77 geworden). Ein Kompromiss scheint nahe. Noch vor der Sommerpause soll das Gesetz ins Parlament kommen. Doch bleiben die Kollateralschäden. Nicht nur Habecks Popularität stürzte in Umfragen ab.

Nur noch 23 Prozent sind mit seiner Arbeit laut jüngsten Umfragen der ARD zufrieden. Zum Vergleich: Außenministerin Annalena Baerbock 39 Punkte, Kanzler Scholz 32 Punkte. Noch brisanter sind andere Zahlen der Umfrage: Die rechtsnationalistische AfD liegt bei 18 Prozent, gleichauf mit SPD und vor Grünen (15 Prozent) und FDP (7 Prozent). Die CDU käme auf 29 Prozent. Die Zahlen sind der eigentliche Hammer des Heizdebakels.

Wenn's nur so einfach wäre

"Grüne Ideologie, Wokeness, das Ausblenden der Flüchtlingskrise und Habecks Heizungshammer sind ein Konjunkturprogramm für die politischen Ränder", twitterte die stellvertretende CDU-Generalsekretärin Christina Stumpp. Wenn's nur so einfach wäre. In den bürgerlichen Parteien des Landes macht sich ein merkwürdiges antiinstitutionelles Politikverständnis breit. Die FDP opponiert gegen ihre eigenen Regierungsbeschlüsse. Die CSU in Bayern rebelliert gegen Berlin wie sonst nur Republikaner in Texas gegen Washington. Und in Brüssel macht die Union als Deutschlands stärkste proeuropäische Kraft gegen Naturschutzpläne und andere Regulierungsvorstöße der eigenen Kommissionschefin mobil. Der Abzug der Erhard-Büste fügt sich ins Bild. Die Bürgerlichen sind auf Anti-Establishment-Kurs. Doch gehen viele lieber direkt zum rechtsnationalen Protestoriginal.

In einer sich rasch wandelnden Welt von KI bis zum E-Auto versuchen die Bürgerlichen die Pause-Taste zu drücken. "Der AfD gelingt also eine angststiftende und antagonistische Kulturalisierung ökonomischer Themen, wenn es an einer ausreichenden Materialisierung sozialer Fragen durch die Regierung mangelt", so Politikberater Johannes Hillje auf Twitter. Im Herbst wird in Bayern gewählt, im nächsten Jahr sind Europawahlen.

Spätestens dann sollte sich die etablierte Politik wieder berappeln.