Sogar einer Schauspielerin können die Gesichtszüge entgleiten. Der türkischen Schauspielerin Merve Dizdar fiel richtig die Kinnlade herunter, als ihr Name bei den Filmfestspielen in Cannes aufgerufen wurde. Beste Schauspielerin! Es ist das erste Mal, dass eine Türkin diesen Preis gewonnen hat, und Dizdar widmete ihn in einer kurzen Ansprache der türkischen Frauenbewegung. Am nächsten Morgen flog sie nach Istanbul zurück, wo kürzlich Recep Tayyip Erdogan nach drei Jahrzehnten erneut zum Präsidenten gewählt wurde. Noch bevor sie in der Türkei landete, ging der Krach los. Statt mit Glückwünschen wurde die Schauspielerin in ihrer Heimat mit nationalistischen Verwünschungen und Beschimpfungen überzogen, die überwiegend aus dem Regierungslager kommen.

Dizdar wurde für ihre Rolle als Lehrerin in „Trockenes Gras“, dem neuesten Film des türkischen Regisseurs Nuri Bilge Ceylan ausgezeichnet. Es sei ihr nicht schwergefallen, sich in die Rolle einer Frau einzuarbeiten, die um ihre Existenz kämpfen müsse, sagte die 36-jährige Schauspielerin in ihren Dankesworten auf der Bühne: „Denn ich weiß nur zu gut, was es in meinem Land bedeutet, eine Frau zu sein.“ Sie widme ihre Auszeichnung deshalb „allen meinen Schwestern, die sich für Frauenrechte engagieren, alles riskieren und die Hoffnung nicht aufgeben“.