"Senkt die Mieten": Das sprühten Unbekannte auf etliche Hausfassaden in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon. "Es reicht mit dem Anstieg", rufen Demonstranten, die durch Lissabon marschieren und beklagen, dass ihre Löhne nicht einmal ausreichen, um die Wohnungsmieten zu bezahlen. Mieten, die Sprünge von jährlich bis zu zehn Prozent machten.

Inflation hoch, Mietpreise astronomisch

Die Proteste zeigten Wirkung: Portugals sozialdemokratischer Regierungschef António Costa kündigte einen Krisenplan an, um Wohnungsnot und Immobilienspekulation zu bekämpfen. "Niemand kann die Auswirkungen ignorieren, welche die brutalen Steigerungen der Mietpreise verursachen", sagte Costa. "In den letzten Jahren stiegen die Mieten sehr viel mehr als die Inflation": Das Krisenprogramm "Mehr Wohnraum", das formal noch vom Parlament, in dem Costas Sozialdemokraten die Mehrheit haben, gebilligt werden muss, enthält drastische Schritte. Zum Beispiel das Verbot von neuen Touristenapartments, deren große Verbreitung den Immobilienmarkt anheizte. In der Innenstadt Lissabons gibt es heute in manchen Vierteln mehr Ferienapartments als normale Mietwohnungen.

Das Geschäft mit dem Urlaub blüht. Bei mittleren Tarifen von 100 Euro pro Tag lohnt sich die Vermietung eines Apartments an Touristen mehr als an einen festen Mieter. An Nachfrage mangelt es nicht: Das südeuropäische EU-Land ist bei Urlaubern beliebt. Das vergangene Jahr bescherte Portugal Rekordeinnahmen aus dem Tourismus, der das wichtigste Standbein der Nation ist. Doch der Tourismusboom hat unerwünschte Folgen. Deswegen soll es nun keine Lizenzen mehr für neue Urlaubsapartments geben. Wenigstens nicht in den touristischen Hochburgen Lissabon, Porto und an der Algarve-Küste. Nur in ländlichen Gebieten will man noch Ausnahmen machen. Zudem sollen Ferienvermieter mit Steuergeschenken dazu bewegt werden, ihre Touristenapartments wieder in normalen Wohnraum zu verwandeln.

In einem weiteren Schritt werden jene "goldenen Visa" abgeschafft, mit denen Portugal seit zehn Jahren ausländische Immobilieninvestoren ins Land lockt. Mit dem "Goldvisum" wurden bisher all jene Investoren aus nicht zur EU gehörenden Ländern belohnt, die mehr als 500.000 Euro in Immobilien investierten. Nahezu 30.000 wohlhabende Ausländer und Familienangehörige erhielten auf diese Weise ein Visum mitsamt Reisefreiheit im Schengenraum – fast 50 Prozent waren reiche Chinesen, die ihr Geld vorzugsweise in Ferienwohnungen anlegten.

Auch die Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt sollen gedeckelt werden. Im Zuge eines Inflationskrisenpakets war bereits 2022 beschlossen worden, dass bei bestehenden Verträgen die Miete nur um zwei Prozent steigen darf. Das verleitete manche Vermieter dazu, alte Verträge zu kündigen, um mit einem neuen Vertrag üppige Aufschläge fordern zu können. Deswegen kommt nun für Neuverträge ebenfalls eine Mietenbremse, die sich am Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent orientiert.

Maßnahmen gegen Wohnungsnot und hohe Mieten werden auch in vielen anderen europäischen Staaten diskutiert. Doch in Portugal sorgen die Pläne der Regierung in Lissabon nicht gerade für Freude bei den Verbänden der Wohnungsbesitzer, die von einem "Attentat auf den Immobilienmarkt" sprechen. Die Ankündigung der Regierung, leerstehenden Wohnraum notfalls zu beschlagnahmen und zu moderaten Preisen an bedürftige Familien zu vermieten, provozierte gleichfalls den Zorn der Vermieterbranche.

Ganze Wohnblocks unbewohnt

In Portugal, ein Land mit 10,5 Millionen Einwohnern, stehen nach Angaben des Statistikamtes 720.000 Wohnungen leer – ­mehr als zehn Prozent des gesamten nationalen Wohnungsbestandes. Ein Grund dafür ist Mietwucher. Im Großraum Lissabon zum Beispiel sind in manchen Vororten ganze Wohnblocks unbewohnt. Warum? Weil die Mieten, die schon bei einer kleinen Wohnung 1000 Euro erreichen können, derart explodiert sind, dass sich keine Mieter mehr finden, die diese Wohnungen noch bezahlen können.

Portugal gehört zu den ärmsten Ländern der alten EU. Der gesetzliche Mindestlohn, umgerechnet auf 12 Zahlungen pro Jahr, beträgt nur 887 Euro – rund ein Viertel der portugiesischen Arbeitnehmer hat nicht mehr in der Tasche. Das ist weniger als die Hälfte dessen, was zum Beispiel in Deutschland als Minimum gezahlt wird – und dies bei Mietpreisen, die sich kaum von jenen in Berlin unterscheiden.