Nach schweren russischen Angriffen sind in der ukrainischen Hauptstadt Kiew Zehntausende Bewohner weiterhin ohne Strom. Am Samstagvormittag seien noch 130.000 Menschen der Drei-Millionen-Einwohner-Metropole betroffen gewesen, teilte die städtische Militärverwaltung mit. Die Reparaturen sollen innerhalb von 24 Stunden abgeschlossen werden. Dann sollen auch alle Heizungen wieder funktionieren.

Die Wasserversorgung hingegen sei bereits wiederhergestellt, hieß es. Lediglich in den obersten Etagen von Hochhäusern könne es noch Probleme mit niedrigem Wasserdruck geben.

Gezielt Energie-Infrastruktur beschossen

Mit Dutzenden Raketen und Marschflugkörpern hatte Russland am Mittwoch gezielt die Energie-Infrastruktur der Ukraine beschossen und schwere Schäden angerichtet. Auch in vielen anderen Landesteilen fielen Strom, Wasser und Wärmeversorgung aus. Angesichts des beginnenden Winters ist die Lage vielerorts dramatisch.

Nach den russischen Raketenangriffen mit massiven Zerstörungen machte die Ukraine Fortschritte bei der Wiederherstellung ihrer Stromversorgung. Präsident Wolodymyr Selenskyj kritisierte jedoch, dass es gerade in Kiew nur langsam vorangehe. "Viele Kiewer Bürger waren mehr als 20 oder sogar 30 Stunden ohne Strom", sagte er am Freitagabend. Er erwarte vom Büro des Bürgermeisters Qualitätsarbeit, sagte er in selten offener Kritik an Stadtoberhaupt Vitali Klitschko.

Russland setzt unterdessen in der Ukraine nach Einschätzung britischer Geheimdienste veraltete Trägerraketen ein, die eigentlich für nukleare Sprengköpfe ausgelegt sind. Auf öffentlich zugänglichen Aufnahmen seien Trümmer eines mutmaßlich abgeschossenen Raketentyps zu erkennen, der aus den 1980er Jahren stamme und als nukleares Trägersystem entwickelt worden sei, hieß es am Samstag in einem Bericht des britischen Verteidigungsministeriums. Die Trägerraketen würden jetzt unbewaffnet abgefeuert, ohne die Sprengköpfe.

Obwohl diese Raketen trotzdem Schaden anrichten könnten, sei es unwahrscheinlich, dass Moskau damit ernsthafte Erfolge erreiche, hieß es von der britischen Regierung. Vielmehr hoffe der Kreml wohl darauf, die ukrainische Luftabwehr abzulenken. London wertete dies als Zeichen dafür, wie erschöpft Russlands Arsenal an Langstreckenraketen sei.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor.