Ex-Premier Benjamin Netanjahu will zurück an die Macht, der derzeitige Ministerpräsident Yair Lapid will dranbleiben. Doch vertraut man den Umfragen, so wird auch bei diesem fünften Wahlgang für ein neues Parlament der Israelis am 1. November alles so sein wie bei den vier Malen zuvor: Patt in der Politik. Das Land ist tief gespalten in religiöse und Rechtswähler auf der einen sowie Mitte- und Linkswähler auf der anderen Seite.

Noch ist die breiteste Koalition aller Zeiten an der Macht. Eine Regierung aus rechten, Zentrums- und Linksparteien plus arabischer Fraktion, die sich im Juni 2021 nach der vierten Wahl in drei Jahren zusammenfand. Sie scheiterte an grundlegenden Meinungsverschiedenheiten. Das erste Jahr saß Naftali Bennett auf dem Sessel des Premiers, obwohl seine rechte Partei "Jüdisches Haus" lediglich sieben Mandate geholt hatte. Es folgte Yair Lapid von der Zukunftspartei "Jesch Atid".

Naftali Bennett kündigte vor einigen Wochen an, sich aus der Politik zurückzuziehen. Damit rückte die Nummer zwei an der Spitze der Partei: Ayelet Shaked. Die derzeitige Innenministerin ist bekannt für ihre unterkühlte Art. Doch jetzt bat sie bei ihren Rechtswählern melodramatisch "um einen Platz für Vergebung in ihren Herzen", dass sie an der breitgefächerten Koalition beteiligt war. Auf dem Wahlplakat bemüht sie ihr Herz. "Es schlägt rechts", versichert sie. Doch jüngste Umfragen bescheinigen ihr, dass es sie auch mit Gefühlsausbruch nicht über die 3.25-Prozent-Hürde in die Knesset schafft.

Wenn doch, kündigte sie bereits an, mit dem Likud unter dem ehemaligen Premierminister Benjamin Netanyahu eine Rechtsregierung herbeiführen zu wollen. Der würde das Angebot gern in Anspruch nehmen. Trotz ihrer durch und durch rechten Gesinnung gilt Shaked im Vergleich zu einem als gemäßigt: Itamar Ben-Gvir.

Der rechtsextremistische Aufwiegler marschiert nicht nur langsam, sondern schnellen Schrittes mit seinen Wanderschuhen, die jüdische Siedler in den Palästinensergebieten mit Vorliebe tragen, in Richtung Regierungsbeteiligung und sogar Kabinett. Während ihm Netanyahu bei der vergangenen Wahl noch jeglichen Ministerjob absprach, so machte der Likud-Vorsitzende jetzt klar, dass Ben-Gvir "sicherlich ein Minister werden kann".

Das wollen er und sein Bündnispartner, Bezalel Smotrich, auf jeden Fall und haben bereits die Ressorts in den Ring geworfen: Verteidigung und Justiz. Smotrich möchte zur Gesetzgebung von König David zurück, Ben-Gvir als Verteidigungsminister will die Palästinensische Autonomiebehörde aushebeln, und zwar "nicht alle Araber" deportieren, wie er mit zynischem Lächeln immer wieder klarmacht, "aber die illoyalen". Für diese Gesinnung werden ihnen 14 Mandate prognostiziert, wodurch das Bündnis zum drittstärksten in der Knesset werden könnte.

Viele sind davon alarmiert. Allen voran Premierminister Lapid, der sich zur Wiederwahl stellt. Der sieht den rechtsextremen Politiker als große Gefahr: "Für Ben-Gvir zu stimmen bedeutet, gegen die Armee zu stimmen und für Menschen, die unsere Soldaten schlagen", sagte er in Bezug auf einen Angriff von Siedlern auf Soldaten vor einigen Tagen. Dabei sei er sicher, dass der rechts-religiöse Block von Netanyahu keine Mehrheit erreichen werde. Doch gerade das kann zum Problem werden. "Wenn Netanyahu nicht gewinnt", erläuterte Lapid, "könnte er versuchen, die Legitimität der Wahlen infrage zu stellen". Ein US-Szenario in Israel.

Jesch Atid, der etwa 25 Sitze vorausgesagt werden, ist allerdings nicht per se gegen eine Koalition mit rechten oder strengreligiösen Parteien. Denn wie für den rechts-religiösen Block, so scheint es auch für einen Mitte-Links-Block schwer bis unmöglich, eine regierungsfähige Koalition zusammenzubekommen. Vor allem, weil Lapids Koalitionspartner, die linken Parteien Avoda und Meretz sowie die arabische Ra'am allesamt unter die Eintrittshürde fallen könnten.

Lapid meint sogar, dass das beste Ergebnis eine Regierung der nationalen Einheit wäre, die von seiner Partei und dem Likud geführt wird, eine Art "große Koalition". Allerdings schloss er die Zusammenarbeit mit Netanyahu persönlich aus. "Er ist ein Mann, gegen den drei schwere Anklagen erhoben wurden. Er muss seinen Prozess beenden." Netanyahu, dem am längsten amtierende Premierminister in der Geschichte Israels, wird derzeit der Prozess wegen Korruption in drei Fällen gemacht. Er bestreitet jegliches Fehlverhalten und will zurück auf den Premier-Posten. Sein Likud ist mit vorausgesagten 30 Sitzen wahrscheinlich stärkste Partei.  

Und dann ist da noch das Bündnis "Nationale Einheit", das in Umfragen elf bis zwölf Mandate erhält. Die Mitte-Rechts-Liste wird von zwei Ex-Stabschefs angeführt: Verteidigungsminister Benny Gantz und dem politischen Newcomer Gadi Eizenkot, auch er in der Mitte angesiedelt.  

Eizenkot entschied sich aus einem Grund für die Politik, sagte er kürzlich: "Ich befürchte die Bildung einer Koalition aus Rassismus, Gewalt und Hetze. So etwas demontiert eine Gesellschaft. Extremisten würden Netanyahu aus Populismus zu Fehlhandlungen verleiten, wenn sie ihn in die Ecke drängen, und die Gewalt eskaliere. "Diese Wahl ist entscheidend für die Zukunft unseres Landes", resümierte Eizenkot. Wenn ich zu Hause sitzen und mich vom Balkon aus beschweren würde – ich würde es mir nie verzeihen."