Winter is coming“ (Der Winter kommt), zitierte Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans eine sprachliche Ikone aus der TV-Serie „Game of Thrones“ – um passend dazu ein bedrohliches Szenario zu beschreiben. Putin greife Länder der Union an, er benutze die zögerlichen oder eingestellten Energielieferungen als Waffe; vor allem, um Europa auseinanderzubringen.

Die Strategie, auf der der gestern vorgestellte Gas-Notfallplan der Kommission aufbaut, beruht infolgedessen vor allem auf dem Zusammenhalt der EU-Länder, auf der Solidarität. „Wir müssen uns auf eine mögliche vollständige Unterbrechung der russischen Gasversorgung vorbereiten“, beschrieb Präsidentin Ursula von der Leyen das schlimmste der möglichen Szenarien. Wichtigste Maßnahme ist zunächst die Reduzierung des Gasverbrauchs in allen Ländern um 15 Prozent bis ins kommende Frühjahr. Das soll auf freiwilliger Basis und durch individuelle Lösungen erfolgen, die EU-Behörde stellt allen aber auch eine Rute ins Fenster: Geht der Plan nicht auf, sei aufgrund des Artikels 122 auch eine gesetzliche Verpflichtung möglich, so von der Leyen. Basis für die Berechnungen ist ein fünfjähriger Schnitt (2017 bis 2021), damit will man die unterschiedlichen Situationen berücksichtigen.

Die im Entwurf enthaltenen konkreten Empfehlungen (Senkung der Raumtemperatur in öffentlichen Gebäuden auf 19 Grad bzw. Klimatisierung nicht unter 25 Grad) sind in der Endfassung vagen Beschreibungen ohne konkrete Zahlen gewichen. Das Papier enthält einen Leitfaden für die Länder, welche Industrie- und Versorgungszweige eine hohe Priorität haben, etwa aus dem Gesundheits- und Pharmazeutika-Bereich oder aus der Nahrungsmittelversorgung. Unter Verweis auf die völlig unterschiedlichen Ausgangslagen in den Ländern werden auch Vorschläge gemacht, wie man etwa zeitversetzt produzieren oder überhaupt Industrieprozesse in andere Länder auslagern kann, wo gerade mehr Energie zur Verfügung steht.

Nationale Notfallpläne können grundsätzlich bleiben

Die nationalen Notfallpläne sollen jedenfalls weiter ohne Einschränkungen umgesetzt werden. Mehrmals betonten die Spitzen der Kommission, dass die eingeforderte Solidarität auch gebiete, jene Länder besonders zu unterstützen, die stark vom russischen Gas abhängen. Dazu gehört eindeutig auch Österreich. Wie es hieß, seien dazu aber noch weitere bilaterale Abkommen erforderlich. Ausdrücklich festgehalten wurde auch, dass private Haushalte erst ganz zum Schluss von Einsparungsmaßnahmen erfasst werden.

Die Reaktionen auf den Plan fielen durchwegs positiv aus, auch wenn Polen oder Ungarn aus der allgemeinen Zustimmung ausscherten, weil sie ihre eigenen Pläne anpassen müssten. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) sieht im Konzept einen „wichtigen Schritt“, betrachtet aber die Fortschritte beim gemeinsamen Gaseinkauf über die neue EU-Plattform als noch zu vage.

Über das Wochenende werden nun die Botschafter der Mitgliedsländer die Details des Plans durcharbeiten, am Dienstag treffen sich die Energieminister in Brüssel zu einer Sondersitzung und stimmen ab.