Mit der europäischen Lebensrealität tut sich die republikanische Partei schwer. 2020 bewies der damalige US-Präsident Donald Trump seine Unsicherheit, als er in bizarren Ausführungen behauptete, Europäer lebten in Wald-Städten, mit "explosiven Bäumen". Der Einschätzung Trumps ging eine Debatte um die verheerenden Waldbrände in Kalifornien voraus. Klimaforscher führten die Brände auf die anhaltende Dürre in der Region zurück und auf den Klimawandel – Trump argumentierte mit seinem Verweis auf europäische "Waldbewohner" dagegen. 

Dänen seien zu arm für Autos

Im Dunstkreis Trumps befand sich damals auch Carla Sands. Unter seiner Führung war sie oberste US-Diplomatin in Dänemark. Mit einer bemerkenswerten Aussage ließ Sands nun auf Twitter aufhorchen. "Die Mittelklasse kann sich in Dänemark keine Autos mehr leisten", so die Grundaussage der Ex-Diplomatin, die von Präsident Biden 2021 abberufen wurde.

Sands beruft sich dabei auf persönliche Erfahrungen, die sie während ihrer Zeit in Europa gemacht hätte und geht ins Detail: "Sie haben Fahrräder und nehmen Züge für längere Reisen. Mein Fahrer musste eine Stunde lang durch den Schnee fahren, um zur Arbeit zu kommen. Das ist die Zukunft, die das Team Biden für die Amerikaner möchte."

Wie auch Trumps Tweet vor zwei Jahren muss Sands "Weckruf" im Kontext der amerikanischen Politsituation gesehen werden. In den USA sorgen Rekordpreise für Treibstoff derzeit für hitzige Debatten. Ähnlich wie das Recht auf eine Waffe wird aber auch der Besitz eines Autos als unumgänglich angesehen. Auch, weil in den USA wenig Geld in alternative Transportmittel gesteckt wird. Im Jahr 2016 gaben die Einkommensschwächsten am meisten, nämlich durchschnittlich 3497 US-Dollar (29 %), für Transportkosten aus. 

Fahrrad-Hype nicht aus finanziellen Gründen

Was Sands Behauptung absurd erscheinen lässt: Dänemark zählt zu den zehn reichsten Ländern der Welt. In der Liste der wohlhabendsten Staaten rangiert das Land auf Platz sechs. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beträgt 61.154 US-Dollar.

Ein Grund für die weite Verbreitung des Drahtesels liegt in der Infrastruktur des Landes. Bereits seit den 1970er Jahren forciert die Hauptstadt Kopenhagen eine verkehrspolitische Wende. Auf 602.481 Einwohner kommen heute rund 675.000 Fahrräder. Nach dem Auto (34 Prozent) fällt die Verkehrsmittelwahl im nordischen Land auf das Rad (29 Prozent). Ein Grund, warum viele Däninnen und Dänen auf die umweltfreundliche Alternative schwören, ist nicht etwa Geldersparnis, sondern Zeitersparnis.

Für ihren Tweet erntete die ehemalige Top-Diplomatin Häme. Nicht zuletzt aus den Reihen des dänischen Parlaments. So antwortete der sozialdemokratische Politiker Benny Engelbrecht: "Ich kann Ihnen versichern, dass die Nutzung von Rädern für den Stadtverkehr für die meisten Dänen eine freie Wahl ist und keine wirtschaftliche Frage."

Lustige Tweet-Antworten

Die Netzgemeinde schloss sich mit süffisant-sarkastischen "Ergänzungen" an. Fotoaufnahmen von der Königsfamilie am Fahrrad machten die Runde mit dem Kommentar: "Unser Königshaus gehört der Mittelklasse an." Ein anderer Nutzer aus Österreich antwortete mit einem Foto von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Wiener U-Bahn und der Warnung: "Aufgrund staatlicher Bevormundung kann sich auch unser Bundespräsident kein Auto leisten." Wieder ein anderer Tweet zeigt Beatles-Genie und Musiker Paul McCartney im Zug.

Es ist nicht zum ersten Mal, dass Carla Sands mit falschen Behauptungen auf sich aufmerksam macht. Ende 2020 veröffentlichte sie nach den US-Wahlen mehrere Twitter-Posts, um Trumps unbegründete Behauptungen des Wahlbetrugs zu unterstützen. In einem Tweet behauptete sie, ihre Briefwahl im Bundesstaat Pennsylvania sei nicht registriert worden. Die Behauptung stellte sich im Nachhinein als falsch heraus, wie die "New York Times" aufdeckte.