Russlands Militäreinsatz in der Ukraine verläuft nach Einschätzung von Kremlsprecher Dmitri Peskow "streng nach Plan". Der Verlauf des Einsatzes entspreche den im Vorhinein festgelegten Zielen, sagte Peskow am Dienstag in einem CNN-Interview. Die Regierung in Moskau bezeichnet den Angriffskrieg als "speziellen Militäreinsatz", nicht als Krieg. Die ukrainischen Streitkräfte halten indes nach Angaben ihres Generalstabs die Stellung trotz fortdauernder russischer Luftangriffe.

Der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft zufolge wurden in dem Krieg bisher 121 Kinder getötet und 167 verletzt. Generalstab in Kiew teilte Mittwoch früh mit, der Vormarsch des Gegners werde an mehreren Fronten gestoppt, zum Beispiel bei Slowjansk im Gebiet Donezk im Südosten. Auch Mykolajiw im Süden werde verteidigt, ebenso Tschernihiw im Nordosten. Zur Lage in der seit Wochen besonders heftig umkämpften südostukrainischen Hafenstadt Mariupol teilte die Militärführung lediglich mit, die ukrainischen Kräfte verteidigten sich gegen Angriffe aus allen Richtungen. Die Berichte aus der Kampfzone waren zunächst nicht unabhängig überprüfbar. Das russische Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, Kampfhubschrauber vom Typ Ka-52 hätten ein ukrainisches Munitionslager zerstört. Ein Ort wurde nicht genannt. Die ukrainische Seite hatte zuvor von Angriffen dieser Hubschrauber im Raum Charkiw im Osten des Landes berichtet. Die Angaben beider Seiten über das Kriegsgeschehen lassen sich derzeit nicht überprüfen.

Gespräche mit Moskau schwierig

Der ukrainische Präsident Wolodymir Selenkskyj bezeichnete die Gespräche mit Moskau zur Beendigung des Kriegs indes als schwierig. Es gebe aber kleine Fortschritte. "Wir arbeiten weiterhin auf verschiedenen Ebenen, um Russland zu ermutigen, sich in Richtung Frieden zu bewegen", sagte er in einer am Mittwoch früh gesendeten Ansprache. Unterdessen wurden aus verschiedenen Landesteilen Kämpfe gemeldet. Manchmal seien die Beratungen auch konfrontativ, meinte Selenskyj weiter. Die russischen Truppen beschuldigte er, eine Gruppe von Flüchtlingen aus der belagerten Hafenstadt Mariupol auf einer zuvor vereinbarten Fluchtroute "einfach gefangen genommen" zu haben. Zudem verwies der Staatschef erneut auf das Leid der seinen Angaben zufolge noch 100.000 Menschen in der Stadt, die "ohne Nahrung, ohne Wasser, ohne Medikamente, unter ständigem Beschuss" ausharren müssten.

Auf die CNN-Frage, was Präsident Wladimir Putin in der Ukraine bisher erreicht habe, meinte Peskow, dass die Ziele "noch nicht" erreicht seien. "Es ist ein erheblicher Einsatz, mit erheblichen Zielen." Als Ziele nannte Peskow unter anderem das Dezimieren des ukrainischen Militärs sowie die Einsicht Kiews, dass die 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim nun ein "unverrückbarer Teil Russlands" sei. Zudem müsse die Ukraine anerkennen, dass die Separatistenregionen im Osten nun "unabhängige Staaten" seien.

Logistische Probleme

Die US-Regierung und auch die Ukraine erklären seit Tagen, dass die russischen Streitkräfte logistische Probleme hätten und vor allem im Norden und Osten des Landes kaum Fortschritte machten. "Wir sehen weiter Hinweise, dass die Russen die Logistik und den Nachschub nicht ordentlich geplant haben", urgierte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby. Zuvor hatte US-Präsident Joe Bidens Nationaler Sicherheitsberater, Jake Sullivan, gesagt, Putin habe mit dem Krieg gegen die Ukraine bisher keine seiner grundlegenden Ziele verwirklichen können.

In dem CNN-Interview wurde Peskow zudem gefragt, ob Putin den Einsatz von Atombomben ausschließen könne. Er sagte daraufhin, dass Atombomben gemäß der bekannten russischen Sicherheitsdoktrin nur eingesetzt würden, wenn eine "existenzielle Bedrohung" des Landes bestehe. Aus dem Pentagon hieß es, dass die US-Streitkräfte trotz "gefährlicher" Rhetorik aus Moskau bisher nichts beobachtet hätten, was eine erhöhte Alarmbereitschaft der Atomwaffen nötig machen würde.

Experte hält Einsatz von Chemiewaffen möglich

Der österreichische Militär-Analytiker Gustav Gressel erachtet das Drohen Russlands mit einem Atomwaffeneinsatz als "eher psychologisches Spiel mit unseren Ängsten". Die "Furcht vor der totalen Vernichtung ist sozusagen die letzte Waffe, die Putin im psychologischen Krieg ins Spiel führen kann, um die Bevölkerung im Westen zu verunsichern und von einer möglichen Unterstützung der Ukraine abzuhalten", sagte Gressel vom European Council on Foreign Relation in Berlin am Dienstagabend in der "ZiB2" des ORF.

Einen Einsatz von Chemiewaffen hält der Experte dagegen für möglich. Dieser sei "leider zu einem gewissen Grad zu befürchten", weil bei chemischen Waffen der Nachweis der Einsatzführenden schwierig sei. Die aktuelle "operative Pause" der russischen Armee wundert Gressel nicht. Russland versuche noch weitere Kräfte zu generieren, der 1. April sei "ein wichtiger Einrückungstermin", zu dem viele Wehrpflichtige abrüsten und mit großer Wahrscheinlichkeit sehr viele Vertragsverhältnisse mit der russischen Armee eingingen. Eine wirkliche Offensive erwartet der Analyst Mitte oder Ende April.