"Was die humanitäre Lage betrifft, ist leider davon auszugehen, dass der Hilfsbedarf weiter stark steigen wird. Umso wichtiger ist es, bei humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit nicht zu sparen. Das wäre für Europa ein leichter Schnitt, aber in Wirklichkeit ein Schuss ins Knie." Walter Hajek, Leiter des Bereichs Internationale Zusammenarbeit beim Roten Kreuz, findet anlässlich des EU-Afrika-Gipfels gegenüber der Kleinen Zeitung klare Worte.


Die Krisen des 1,2-Milliarden-Bewohner-Kontinents sind mannigfaltig. Von mehrfachen Katastrophen sind derzeit vor allem Länder am Horn von Afrika betroffen: Dort verschärft sich nach Dürren und Heuschreckenplagen die Nahrungsmittelknappheit – vor allem in Somalia und in Äthiopien: Der anhaltende Konflikt in Tigray strahlt in die ganze Region aus. Auch in der Sahelzone, durch die viele Wanderungsbewegungen führen, verstärken interne Konflikte und politische Instabilität vorhandene Probleme.

Und dann kam Corona

Corona verschärft die Lage – das Rote Kreuz sieht Fortschritte von Corona zunichtegemacht: "Afrika hat eine dynamische, positive Entwicklung hinter sich. Die Corona-Pandemie hat aber Fortschritte in der Armutsbekämpfung zunichtegemacht – und Ungleichheit verschärft", so Hajek. Faktum ist, dass auch Versorgung mit Impfdosen und Impfrate in Afrika verheerend sind (siehe Grafik).


Ein weiterer Problemtreiber und wichtiges Momentum für die Migrationsströme aus Afrika ist der Klimawandel: Wenn immer häufiger schwere Stürme auf Land treffen, sei es wichtig, die Widerstandsfähigkeit von Gemeinden zu stärken und zu helfen, bevor etwas passiert, so das humanitäre Netzwerk. Um die Schäden des tropischen Sturms "Ana" Ende Jänner gering zu halten, verteilte das Rote Kreuz im Norden von Mosambik nach einem Frühwarnprotokoll vorab Hilfsgüter für 20.000 Menschen (darunter Baumaterial, um Häuser zu sichern) und ermöglichte Evakuierungen.


Auch die Wasserversorgung nach und in klimabedingten Katastrophen ist nach wie vor prekär: Rund 13 Millionen Menschen am Horn von Afrika droht wegen einer schweren Dürre eine Hungersnot: Teile von Äthiopien, Kenia und Somalia kämpfen mit den trockensten Bedingungen seit 40 Jahren. Gleich drei hintereinander ausgefallene Regenzeiten führten zu verheerenden Ernteausfällen und ließen das für die Menschen überlebensnotwendige Vieh qualvoll verenden.
"Die große Herausforderung für Hilfsorganisationen ist es, mit Mehrfachkrisen umzugehen, wenn es global gesehen tendenziell weniger Gelder gibt. Umso wichtiger ist es, lokale Akteure zu stärken, mehr in Katastrophenvorsorge und Klimawandelanpassung zu investieren, um mit dem Geld, das es gibt, mehr zu erreichen", zieht Hajek realistische Bilanz.