Es war in den letzten Jahren still um ihn geworden. Dabei hatte es Zeiten gegeben, da hatte er im traditionell romkritischen deutschsprachigen Raum ganze Hallen gefüllt, und seine Bücher, allen voran „Unfehlbar? Eine Anfrage“ und „Existiert Gott?“, das 1978 über drei Monate lang Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste hielt, durften in keinem katholisch-bildungsbürgerlichen Haushalt fehlen.

Hans Küng, der Schweizer Theologe und Kirchenrebell, genoss das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit bis ins hohe Alter. Noch in einem seiner letzten Interviews arbeitete sich der 1928 in Sursee geborene Sohn eines Schuhhändlers lustvoll am Vatikan, der Kurie und seinem einstigen Tübinger Theologenkollegen und Rivalen Joseph Ratzinger ab, der es als Benedikt XVI. bis auf den Stuhl Petri schaffen sollte, während sein eigener Weg immer weiter von Rom wegführte.

Diese Entfremdung schmerzte den ehemaligen, noch von Johannes XXII. berufenen Konzilstheologen. Der Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis an der theologischen Fakultät in Tübingen 1979, weil er das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit infrage gestellt hatte, war Küngs große offene Lebenswunde.

Angekündigt hatte sich der Konflikt schon früh, noch vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Das Reformprogramm, das der junge Priester und Professor für Fundamentaltheologie in der kirchlichen Aufbruchsstimmung ab Beginn der 1960er entwarf – Abschaffung des Zölibats, Gleichberechtigung der Frau und Vereinigung der christlichen Kirchen –, überschätzte den Erneuerungswillen und die Möglichkeiten der katholischen Kirche und überfordert sie bis zum heutigen Tag.

Dass ein rhetorisch und schreiberisch so brillanter Feuerkopf in Konflikt mit den kirchlichen Hierarchien geraten musste, war also programmiert, zumal Hans Küng in seiner Unfähigkeit, Spannungen und Ambivalenzen zu ertragen, wenig dazu beitrug, die Risse zu kitten.

Er war nicht der einzige Theologe, den der kirchliche Bannstrahl in diesen Jahren ereilte, aber zweifellos der prominenteste. Und jetzt, da seine Stimme für immer verstummt ist, stellt sich die Frage, warum es der katholischen Kirche nicht gelang, einen so fantasiebegabten und kreativen Denker dauerhaft einzugemeinden.

Mit der Auslagerung des Problems war dieses ja keineswegs gelöst. Im Gegenteil. Mit den kirchlichen Verhärtungen der 1980er wurde Küng erst so richtig populär. Das lag nicht nur an seiner Kirchenkritik, sondern auch daran, wie er sich als Fürsprecher eines diffusen interreligiösen globalen Ethos neu erschuf und seine Bestimmung, wiewohl nach eigenem Bekunden nach wie vor loyaler Katholik, fortan in der Welt anstatt im Schoß von Mutter Kirche fand.