Fast ein Jahr dauerte es, bis am Montag der vergangenen Woche der Prozess rund um die qualvolle Tötung des Afroamerikaners George Floyd begann. Nun wird das Bild rund um das Schicksal des 46-Jährigen, das in ganz USA zu Protesten gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt führte, immer klarer. Mehr noch: Was Medaria Arradondo, seines Zeichens Polizeichef von Minneapolis, nun vor Gericht aussagte, könnte für das Verfahren von zentraler Bedeutung sein.

Der Hauptangeklagte, der weiße Ex-Polizist Derek Chauvin (45) habe ganz eindeutig die Regeln der Polizeibehörde der Stadt verletzt, als er Floyd sein Knie über neun Minuten lang in den Nacken gepresst habe, betonte Arradondo. Sein Vorgehen sei "nicht Teil unserer Politik, nicht Teil unseres Trainings, und es ist sicherlich nicht Teil unserer Ethik oder unserer Werte", stellte Arradondo unmissverständlich fest. Chauvin hätte den Einsatz körperlicher Gewalt beenden müssen, als der auf dem Boden liegende und mit Handschellen gefesselte Floyd keinen Widerstand mehr leistete, stellte der fest der Polizeichef im Zeugenstand fest. Vor allem aber hätte der Hauptangeklagte von Floyd ablassen müssen, als dieser kein Lebenszeichen mehr gezeigt habe.

Ein Prozess als Prüfstein

Es ist ein Prozess, der als Prüfstein für die USA gelten wird, und dessen Ausgang von enormer Bedeutung für das Land sein könnte: Struktureller Rassismus in den US-Polizeibehörden, der unzählige Male in exzessive, überproportional häufig gegen farbige Bürger eingesetzte Gewalt mündete: Nicht zuletzt US-Präsident Joe Biden setzte es sich auf die Agenda, dagegen durch neue Regeln und Reformen innerhalb der Behörden vorzugehen. Eine De-facto-Immunität soll es nicht mehr geben.


Dass nun der Polizeichef von Minneapolis selbst den Angeklagten schwer belastet, gilt Beobachtern als Indiz dafür, dass die USA bei der Ahndung solcher Verbrechen an einer Wegmarke stehen könnten. Seine Aussagen decken sich mit den Bildern der Körperkameras der Polizisten und der Einschätzung von David Pleoger, Chauvins Schichtleiter am Tag von Floyds Tod: "Als Herr Floyd keinen Widerstand mehr leistete, hätte man die Bezwingungsmaßnahmen beenden können." Ebenfalls zu klärende Frage: Warum gab es für Chauvin keine Konsequenzen, obwohl es gegen ihn vor dem 25. Mai 2020 bereits 17 Beschwerden wegen "unangebrachten Verhaltens im Dienst" gehagelt hatte?

Eindeutiger Autopsie-Bericht

Nun drohen dem Ex-Polizisten bis zu 40 Jahre Haft – allerdings nur, sofern er tatsächlich wegen Mordes zweiten Grades (Totschlag) verurteilt würde. Die Strategie von Chauvins Verteidigung war schnell klar: Sie macht die Schmerzmittelabhängigkeit und Vorerkrankungen Floyds für seinen Tod kausal. Dem widerspricht der Autopsiebericht, der als Todesursache "Herz-Kreislauf-Stillstand infolge von Druck auf den Nacken" festgestellt hat.

Trotzdem ist der Ausgang des Verfahrens ungewiss: Über den Schuldspruch wird am Ende eine zwölfköpfige, aus weißen und schwarzen Männern und Frauen bestehende Jury entscheiden – laut Gerichtsexperten könnte der Prozess noch lange dauern.