Heute finden in Portugal Präsidentschaftswahlen statt. Obwohl sich sieben Kandidaten zur Wahl stellen, gibt es bereits einen klaren Favoriten: Amtsinhaber Marcelo Rebelo de Sousa. Laut jüngsten Wahlumfragen könnte Rebelo de Sousa von den Konservativen, die in Portugal verwirrender Weise Sozialdemokraten (PSD) heißen, auf rund 60 Prozent der Stimmen kommen. Weit abgeschlagen folgen die Sozialistin Ana Gomes und André Ventura von der neuen rechtspopulistischen Chega-Partei, denen je 12 Prozent prognostiziert werden.

Mit dem Ergebnis wird in der Nacht zum Montag gerechnet. Gleich nach Schließung der Wahllokale am Abend (21.00 Uhr MEZ) soll es erste Prognosen geben.

Wegen der Pandemie hatte es im Vorfeld zahlreiche Forderungen gegeben, die Präsidentenwahl zu verschieben. Die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen lag zuletzt bei etwa 750 - einer der höchsten Werte weltweit.

Das Staatsoberhaupt hat im Portugal relativ viel Macht. Der Präsident kann sowohl sein Veto gegen Gesetze einlegen als auch das Parlament auflösen und Neuwahlen ausrufen. Für Portugal ist es die zehnte Präsidentenwahl seit der Nelkenrevolution von 1974.

Zur Stimmabgabe sind insgesamt gut 10,86 Millionen Menschen aufgerufen. Erfasst sind auch die im Ausland lebenden Portugiesen. Das Auswanderungsland, das zuletzt wieder vor wenigen Jahren während der Euro-Krise von Hunderttausenden verlassen wurde, hat deshalb mehr Wahlberechtigte als Bürger (ca. 10,3 Millionen).

Gute Kontakte auch zu den Linken

Eine Überraschung sei die Favoritenrolle Rebelo de Sousas keineswegs, erklärt Politologe Fernando Ampudia de Haro. Erstens profitiere der 72-Jährige davon, Präsident im Amt zu sein. In den vergangenen vier Jahrzehnten kam es nie vor, dass ein Präsident nicht für eine zweite Amtszeit wiedergewählt wurde. Zweites sei seine erste Amtszeit problemlos verlaufen: Während der vergangenen zehn Monate leistete er gute Arbeit in der Bekämpfung der Corona-Pandemie und habe eindeutig dazu beigetragen, dass die sozialistische Minderheitsregierung von Regierungschef Antonio Costa in Ruhe arbeiten konnte, was auch viele sozialistische Wähler Rebelo de Sousa hoch anrechnen. "Sein Beitrag zur Stabilität der linken Regierung wurde zum Schluss sogar mit bösen Augen in seiner eigenen Partei gesehen", erklärt Ampudia de Haro.

Amtsinhaber de Sousa
Amtsinhaber de Sousa © AP

Vor allem sei er aber in der gesamten Bevölkerung enorm populär. "Er ist redegewandt und bürgernah. Beim Spaziergang durch Lissabon lässt er Selfies mit sich machen, redet mit allen. Die Menschen nennen ihn einfach nur Marcelo", sagt der Politikexperte von der Europa-Universität in Lissabon. Doch bereits vorher war der bekannte Rechtsprofessor und Journalist landesweit als politischer TV-Kommentator beliebt. Als Präsident konnte er der Bevölkerung jedoch vermitteln, er sorge sich um das Wohlergehen der ganz normalen Bürger, unterstreicht der José Santana Pereira. Für den Politikprofessor am Lissaboner Instituto Universitario (ISCTE) hat die voraussichtliche Wiederwahl zum Präsident eine besondere Bedeutung: Portugal stehe derzeit durch die Coronakrise vor politischen, wirtschaftlichen und sozialen Mammutaufgaben.

Die wirtschaftlichen Folgen für das stark von den Reisewarnungen abhängigen Urlaubsland mit seinen knapp 10 Millionen Einwohner werden immer gravierender. Außerdem hat Portugal seit Anfang Jänner die EU-Ratspräsidentschaft inne. Die europaweite Pandemie-Bekämpfung sowie die Verteilung der Covid-EU-Hilfen müsse koordiniert werden, die Nachwehen des Brexit seien zu bewältigen, die Flüchtlings- und Asylpolitik der EU müsse neu aufgestellt werden. "In dieser schwierigen Phase braucht Portugals Regierung politische Stabilität, zu der höchstwahrscheinlich nicht alle Präsidentschaftskandidaten beitragen würden, wohl aber Rebelo de Sousa", so Santana Pereira zur APA.

So kündigte der zweitplatzierte rechtspopulistische Präsidentschaftskandidat André Ventura beispielsweise schon an, nicht Präsident aller Portugiesen sein zu wollen, sondern nur der guten Portugiesen, niemals der "von Banditen, Ausbeuter und Korrupten". Pfeile, die vor allem Richtung Einwanderer, Minderheiten wie Roma und Sinti und Linkspolitiker gingen.

"Ich stelle mich als Kandidat für die Präsidentschaft erneut zur Wahl, weil wir eine Pandemie zu bewältigen haben, weil wir eine wirtschaftliche und soziale Krise überwinden müssen, weil wir eine einzigartige Gelegenheit haben, Portugal zum Besseren zu verändern", sagte Marcelo Rebelo de Sousa bei der Ankündigung seiner Kandidatur zur Wiederwahl. Das perfekte Resümee, warum 60 Prozent der Portugiesen ihn wählen wollen.

Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, ob die Wahlprognosen Recht behalten. Vieles hängt nun von der Wahlbeteiligung ab. Und um die machen sich die Experten Sorgen. Zwar registrierte die Zahl der Briefwähler einen Rekord. Doch viele Portugiesen werden den Urnen aus Angst vor Covid-Ansteckungen mit Sicherheit fernbleiben. Wegen des noch bis Februar geltenden Lockdowns fand zudem kaum ein Wahlkampf statt. "Und mit einem so klaren Favoriten wie Rebelo de Sousa dürften sich noch weniger Portugiesen als sonst zum Urnengang bewegen", befürchtet auch Wahlforscher José Santana Pereira.