Was bleibt von der Politik Donald Trumps und seiner „America First“-Agenda? Zwei der wohl bedeutendsten langfristigen Konsequenzen seiner turbulenten Präsidentschaft sind die Aushöhlung etablierter politischer Normen innerhalb der USA, gepaart mit der wachsenden Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft, die nun auch die Republikanische Partei zu zerschlagen droht.

Beide Prozesse haben freilich weder mit Trump begonnen, noch werden sie am 20. Jänner mit der Amtseinführung Joe Bidens enden. Vielmehr wirkte Trump als Brandbeschleuniger jener zentrifugalen Kräfte, die die politische Stabilität der USA langfristig gefährden.

Mehrheitlich republikanische Politik

Blickt man aber auf die letzten vier Jahre zurück, so hat Donald Trump mehrheitlich traditionelle republikanische Politik betrieben. Abgesehen von außenpolitischen Versuchen der Annäherung an Russland und Nordkorea sowie einer protektionistischen Handelspolitik trägt die Amtszeit Trumps großteils die Handschrift der alteingesessenen republikanischen Parteielite. So hat er landesweit 226 Richterposten mit parteinahen Juristen besetzt, darunter drei Richter des Obersten Gerichtshofes. Dies galt immer als eines der Hauptziele des Chefs der Republikaner im US-Senat, Mitch McConnell und wird den Charakter der amerikanischen Politik auf Jahrzehnte hin beeinflussen. Trumps Steuerreform mit der Senkung des Unternehmenssteuersatzes von 35 auf 21 Prozent erinnert ebenfalls an traditionelle republikanische Wirtschaftspolitik: Kürzung der Steuerlast für Unternehmen und die reiche Oberschicht zum Leidwesen der schrumpfenden Mittelklasse. Das Gleiche gilt für seine Anti-Umweltpolitik, seine Skepsis gegenüber internationalen Organisationen wie der WHO und UNO, aber auch für sein Bestreben, das Verteidigungsbudget stetig zu erhöhen.

Die harsche Aufforderung an die europäischen Nato-Verbündeten, mehr Geld für die eigene Verteidigung auszugeben, die strengere Einwanderungspolitik und die Ablehnung von Abrüstungsvereinbarungen sind ebenso auf das republikanische Establishment zurückzuführen. Selbst im Gesundheitswesen wollte Trump traditionelle republikanische Politik betreiben, staatliche Subventionen kürzen und Obamacare ganz abschaffen. Der Präsident und Mitch McConnell scheiterten jedoch daran nicht zuletzt wegen des starken öffentlichen und innerparteilichen Widerstands.

Kein Team mit Regierungserfahrung

Der Hauptgrund für die Fortsetzung etablierter republikanischer Politik ist weniger auf ideologische Gegensätze als auf die Personalreserven der Partei zurückzuführen. Als Trump 2016 die Wahl gewann, konnte er auf kein regierungserfahrenes Team an Führungskräften und politischen Entscheidungsträgern zurückgreifen. Stattdessen musste er überwiegend mit Kandidaten aus den traditionellen Kaderschmieden der Partei vorliebnehmen, die ihre alteingesessenen, oft nicht mehrheitsfähigen Ideen umsetzen wollten. Trump ließ sie gewähren, weil ihn das Regieren und die Tagespolitik an sich wenig interessierten. In diesem Sinne war seine Politik frei nach Karl Kraus von Anfang an die Geisteskrankheit, für deren Therapie sie sich hält. Mit anderen Worten, die vergangenen vier Jahre Trump waren eine Fortsetzung jener republikanischen Politik, die zur massiven wirtschaftlichen Ungleichheit und Desillusionierung innerhalb der amerikanischen Gesellschaft beigetragen hat. Ideologisch überzuckert wurde das Ganze mit einer neuen weißen Identitätspolitik und Nationalismus, der diverse rechtsextreme Randgruppierungen innerhalb der Partei stärkte.

Trumps tatsächlicher Bruch mit den Republikanern vollzog sich auf der Ebene der politischen Ideen. So glaubte er nicht, dass die USA eine moralische Sonderstellung in der Welt innehabe, wie es die Ideologie des amerikanischen Exzeptionalismus propagiert. Seine Missachtung dieser Ideologie der Einzigartigkeit machte es Trump auch leichter, politische Normen und die Würde des Präsidentenamtes zu missachten. Er sah es nicht als seine Pflicht, die sogenannte liberale internationale Weltordnung, amerikanische Partner und Verbündete zu schützen. In Wahrheit freilich kündigte er während seiner vierjährigen Amtszeit kein einziges Bündnis und schaffte es auch nicht, die weltweite Truppenpräsenz der Vereinigten Staaten, die die US-zentrierte Weltordnung garantiert, merklich zu reduzieren. Gleichzeitig stürzte Trump, trotz einer einmaligen Drohung eines Nuklearangriffes auf Nordkorea und wiederholten Säbelrasselns am Persischen Golf gegen den Iran, die USA in keinen weiteren Krieg.

Zwei Verfahren

Auch sein Verhalten während seines Amtsenthebungsverfahrens und die wegbereitende Rolle für den Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner markieren klare Bruchlinien mit der Partei. Die rechtlichen und politischen Konsequenzen dieses Aufstandes, angestachelt durch Trumps Behauptungen des Wahlbetrugs bei den Präsidentschaftswahlen im November 2020, werden gravierende Konsequenzen für die Partei und das gesamte politische System der Vereinigten Staaten nach sich ziehen.

Sollte wider Erwarten Donald Trump oder einer seiner Anhänger im Jahr 2024 wieder ins Weiße Haus einziehen, wird sich wohl eine puristischere Form seiner Politik durchsetzen, da man nun vier Jahre Zeit hat, einen Trump-loyalen Führungskader aufzubauen. Das könnte das Ende der republikanischen Partei, wie wir sie kennen, bedeuten.

Doch das muss nicht zwangsläufig der Fall sein. So wurde schon im Sommer 1974, als Richard Nixon wegen der Watergate-Affäre zurücktreten musste, von vielen politischen Beobachtern die Zerschlagung der Republikanischen Partei prognostiziert. Zu eng schien das Schicksal der Partei mit dem diskreditierten und polarisierenden Präsidenten verbunden zu sein. Doch nur sechs Jahre später zog Ronald Reagan ins Weiße Haus und zementierte eine über ein Jahrzehnt andauernde republikanische Vorherrschaft in der amerikanischen Politik, die erst 1993 von Bill Clinton gebrochen werden sollte. Totgesagte leben bekanntlich länger.