Vor dem Hintergrund einer drohenden Verschärfung der deutschen Corona-Reisewarnungen ist Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder zusammengetroffen. Nach einem Arbeitsgespräch im deutschen Zollamt Bad Reichenhall am Grenzübergang Walserberg betonten beide die Wichtigkeit offener Grenzen. Die erhoffte Entwarnung in Sachen der angedachten Quarantänepflicht für heimkehrende deutsche Urlauber gab es jedoch heute nicht.

"Wir sind puritanischer geworden"

„Wir wollen niemanden die Lebensfreude nehmen, wir sind nicht puritanischer geworden“, erklärt Söder. Die Infektionslage zwinge allerdings die Politik zu erhöhter Vorsicht. Es sei naheliegend, dass der Bundeskanzler Touristen nach Österreich locken wolle, man müsse aber auch verstehen, dass ein bayrischer Ministerpräsident nichts dagegen habe, wenn die Menschen in Bayern bleiben. „Man kann auch Freude haben mit weniger.“ Kurz räumte ein, dass sich die Österreicher auf harte Monate einstellen müssen.  "Es liegt noch eine lange Phase vor uns, es wird noch Monate dauern." Eine wirkliche Rückkehr zur Normalität sei frühestens im Sommer möglich.

Sowohl Kurz als auch Söder verwiesen heute auf die nicht nur in weiten Teilen Europas, sondern auch auf beiden Seiten der Grenze steigenden Infektionszahlen. "Das hat nicht nur gesundheitliche Auswirkungen, sondern auch Folgen für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt", sagte der Bundeskanzler. "Für einen funktionierenden Binnenmarkt sind offene Grenzen enorm wichtig." Egal ob für Pendler, Geschäftsreisende oder die Transportwirtschaft: Eine Grenzschließung hätte enorm negative Auswirkungen. "Die Grenzen müssen offenbleiben", betonte auch Söder.

Angesichts der besonders in der Tourismusbranche gefürchteten Überlegungen zu einer fünftägigen Pflicht-Quarantäne für Urlauber in Deutschland, sagte der bayerische Ministerpräsident heute, dass über die Quarantäne-Verordnung nächste Woche entschieden werden könnte. Dies sei naturgemäß aber eine Sache des Bundes, nicht Bayerns. Anlass zu allzu viel Optimismus in Österreich dürfte aber nicht bestehen, ließ Kurz heute am Rande des Treffens anklingen. Die Tourismusgebiete im Land würden aber hart daran arbeiten, die Infektionszahlen zu reduzieren und mit guten Konzepten einen sicheren Wintertourismus zu ermöglichen.

"Reisewarnungen sind hier ein großes Problem", erklärte der Bundeskanzler. "Viele unserer Tourismusgebiete haben kaum oder keine Coronafälle." Eine gute regionale Differierung durch das Robert-Koch-Institut würde der heimischen Tourismusbranche helfen. Die Infektionszahlen in den Städten seien oft höher als in den ländlichen Regionen, in die die Urlauber fahren. Söder versicherte heute, dass die Einstufung nach Risikogebieten in Deutschland ausschließlich nach Zahlen und objektiven Kriterien erfolge. Er könne sich aber eine Art Ampelregelung vorstellen, damit über betroffene Regionen nicht ohne Vorwarnung quasi über Nacht entschieden werde.

Zugleich forderten Kurz wie Söder heute von den Bürgern Österreichs und Bayerns vor allem im privaten Bereich Disziplin ein. "Partys und private Zusammenkünfte sind ein Ort für Ansteckung", betonte Kurz und appellierte zu Vorsicht und Abstand im privaten Raum. Feiern sollten derzeit so gut wie möglich reduziert werden.

Der bayerische Ministerpräsident trat heute auch für europäische Lösungen sein - etwa bei der Entwicklung einer Impfstrategie bei Vorliegen eines Impfstoffes. Kurz und sein Team haben sich übrigens am gestrigen Donnerstag einem Coronatest unterzogen, um von Wien ohne Quarantänepflicht nach Bayern reisen zu können.